Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
behält man besser für sich. Ich beschloss, Marisa nicht zu sagen, wo ich gewesen war. Nachdem sie meine Tränen schon einmal zum Fließen gebracht hatte, konnte ich nicht sicher sein, dass es nicht wieder geschehen würde. Und die Schenkel einer anderen Frau zu küssen war durchaus zum Weinen, so oder so.
    Wir kamen nicht mehr auf den Streit zurück, der meinen Sündenfall ausgelöst hatte. Ich bat sie nicht mehr darum, der Wasserträger bei ihrem römischen Gelage sein zu dürfen, nannte ihr überhaupt keinen meiner Wünsche mehr und achtete wieder sorgsam darauf, dass ich außer Haus war, wenn Marius kam. Im Gegenzug fragte Marisa mich nicht, warum ich erst um vier Uhr morgens heimgekehrt war, nach Rauch stinkend und im Rüschenhemd, und hielt mir auch meine Bedürftigkeit nicht mehr vor. Stattdessen taten wir das, was wir am besten konnten, das Thema wechseln.
    Der Alltag kehrte wieder ein. Wir waren erneut eine glückliche Familie, alle drei.
    Natürlich wurde mit der Zeit viel über uns geredet, aber so wollte ich es ja haben. Wäre unser Skandal auf der ganzen Welt in aller Mund gewesen, mehr hätte ich mir nicht wünschen können, wenn es nur mit Bewunderung für Marisa einherging. Die Leute verstanden nicht gleich, dass ich unser Arrangement guthieß, es sogar brauchte, um dem Konformismus entgegenzuwirken, der selbst eine so ungeheure Ménage wie die unsrige überwuchern kann wie Vorgartenefeu. Apropos Konformität – ich will damit nicht sagen, dass wir uns in einer Art heiterer Gelassenheit eingerichtet hatten, das ist für den Cuckold, der gespannt und aufgeregt auf jede neue Demütigung wartet, undenkbar. Doch mit jeder Woche, die ins Land zieht, schleicht sich Gewohnheit ein, bis man erst durch andere Menschen darauf gestoßen wird, was für ein seltsames Leben man eigentlich führt und was das für eine bemerkenswerte Frau ist, die dabei die Zügel in der Hand hat.
    An besorgten Blicken von der Dulcie-Sorte fehlte es nicht, auch nicht an Äußerungen eines diffusen Mitgefühls, oder, von den eher unerschrockenen meiner Freunde und Geschäftspartner, die glaubten, wir würden uns trennen, an Nachfragen, ob unsere Scheidungssache Fortschritte mache. Ich bin mir sicher: Bei dem geringsten Hinweis, dass ich empfänglich für ihre Ansichten wäre, hätten mir einige gesagt, meine Ehe mit Marisa sei nicht klug gewesen, von Anfang an, und, wenn ich die Wahrheit wissen wolle, Marisa sei ihnen schon früher als Mensch erschienen, mit dem man keinen gemeinsamen Hausstand gründen könne. Andrew zählte zu denen, die mir auf subtile Weise zu verstehen gaben, dass sie Marisa eigentlich schon immer abgelehnt hatten. Möglicherweise war er auch nur eifersüchtig auf Marius, weil er sich die Frau des Chefs geschnappt hatte, so wie vorher schon die Frau des Professors. Jedenfalls kündigte Andrew, ungefähr sechs Monate nachdem unsere Ménage ihren Anfang genommen hatte. »Manchmal muss man einfach loslassen können, Mr Quinn«, sagte er, als wir auseinandergingen, ohne dass ich erkennen konnte, ob er das auf mich oder auf sich bezog.
    Zustimmung war nicht so einfach zu bekommen. Eine Autorin schwärmerischer Erzählungen, die nebenan wohnte und ihre Blütezeit hinter sich hatte, früher aber mal so etwas wie eine Blaustrumpf-de Sade für junge Studentinnen gewesen war – auf dem Gipfel ihres Ruhms sogar eine eifrige Käuferin französischer pornografischer Literatur des achtzehnten Jahrhunderts bei uns –, legte ihr Gesicht regelmäßig in Falten, wenn wir uns auf der Straße begegneten.
    Â»Ihr Haus!«, rief sie mir eines Morgens über den Gartenzaun zu, ausgerechnet.
    Â»Was ist mit meinem Haus?«
    Â»Das sollten Sie mir eigentlich sagen können.«
    Â»Ich wüsste nicht, dass ich dazu verpflichtet bin. Aber da wir, erotisch gesehen, nun schon mal aus demselben Stall sind, Mariana – meinen Sie nicht, dass mein Haus beispielhaft für die Freiheit stehen könnte, die Sie in Ihren Geschichten immer für Ihr Geschlecht gefordert haben?«
    Â»Freiheit! Freiheit nimmt man sich, sie wird nicht gewährt.«
    Â»Ach, dann sind Sie also eingeweiht in unsere Vereinbarungen.«
    Bei dem Wort »Vereinbarung« legte sie wieder die Stirn in Falten.
    Â»â€ºFicken oder gefickt werden‹ – lautete so nicht Ihr Aufruf an Ihre Leserinnen?

Weitere Kostenlose Bücher