Liebesdienst
sonst unverbrüchlichen Treue gegenüber Marisa, von dem einzigen Mal als Marisas Ehemann, da meine Lippen Kontakt mit einem Körper hatten, der nicht der ihre war, in der dritten Person erzählt werden. Ich war nicht ich selbst, als ich es tat.
Natürlich hatte Felix â weil er seine Nase in alles stecken musste, was Marisa gehörte â ihren Tagebucheintrag über ihren Besuch in dem Fetischclub in Walthamstow gelesen, in den man sie ausgeführt hatte. Das Ereignis lag lange zurück, ein Treuebruch gegenüber Freddy, nicht Felix, aber er durchlebte es, als wäre es in der Gegenwart. Er stellte sich vor, er selbst wü rde so einen Club aufsuchen, möglichst nicht in Walthamstow, und würde an dem Abend, an dem Marisa eigentlich Dienst bei der Telefonseelsorge hatte, sie dort in diesem Club antreffen, von Fremden begrapscht.
Sonst interessierten ihn Fetischclubs eigentlich nicht. Er verkleidete sich nicht gerne und brauchte keine öffentliche Auspeitschung. Dass Marisa mit Marius schlief, war HerzensgeiÃelung genug. Aber sie hatte ihn aus ihrer Nähe verbannt; hol dir deinen Kitzel woanders, hatte sie ihm gesagt. Als Trotzreaktion â um es Marisa heimzuzahlen und sich selbst noch mehr zu verletzen â würde er einer anderen Frau gestatten, das Schlimmste mit ihm anzustellen.
Er hatte keine Ahnung, wie man bei der Suche nach einem Fetischclub vorging, aber dann fiel ihm ein, dass er vor einiger Zeit, als er und Marisa mit ihrem indischen Imbiss in der Hand über den Camden Lock Market geschlendert waren, einige Läden gesehen hatte, in denen Werbung für solche Clubs aushing. Danach war alles ganz einfach. Er sammelte stapelweise Flyer von diesen Clubs ein und erkundigte sich diskret nach dem Dress Code. Er besaà keine Ledershorts und kein Kettenhemd, und es wäre ihm peinlich, welche anzuprobieren, aber gut, wenn das alles war, dann mussten eben Rüschenhemd und Abendanzug reichen, je nachdem, was er damit für ein Signal nach auÃen geben wollte. Rüschenhemd und Abendanzug, so erfuhr er, könne durchaus für einen Master stehen. Er wurde ein wenig rot. Bei mir bestimmt nicht, dachte er.
Er fand einen Club, der wilde Exzesse versprach, wildere, als er zu verkraften meinte, aber wenigstens lag der Club in der City und war daher vermutlich sauber und offen für alle. Während der Taxifahrt ü berkam ihn plötzlich der Wunsch, Marius mitzunehmen â seinem Dante ein Vergil zu sein, ihn durch eine Unterwelt zu führen, von der er nichts wusste. Schau dir das gut an, Marius, du kleiner Narziss, der mich zum Gehörnten macht. Hier kannst du mit deinen minderjährigen Schülerinnen aus Shropshire nicht landen.
Seltsam, fast kam er sich schon vor wie ein Angehöriger der Szene, obwohl er doch nur einen Flyer mitgenommen hatte.
Der Türsteher des Clubs bat ihn, den Mantel zu öffnen, damit er sich vergewissern konnte, dass er keine StraÃenkleidung trug, obwohl es f ür Felix ganz normale StraÃenkleidung war. Hinter einem mit Plastikbahnen bezogenen Klapptisch stand eine Frau mit einer Marinemütze und nackten Brüsten, drall wie Luftballons, sah ihn erstaunt an, nahm sein Eintrittsgeld und sagte, er sei der Erste.
»Der Erste? Wie?«, fragte er.
»Der erste Gast heute Abend.«
Irritiert sah er auf die Uhr. Es war doch schon elf, du liebe Güte. Jetzt merkte er auch, wie affig er in seinem Burlington-Bertie-Anzug wirken musste, und mit Staunen konstatierte er, dass eine halbe Stunde, nachdem sich in seinem Stadtteil die Theater geleert hatten, in anderen Stadtteilen das Nachtleben noch nicht einmal begonnen hatte.
»Soll ich später wiederkommen?«, fragte er.
»Wie Sie wollen«, sagte sie. »Die Bar ist geöffnet. Aber richtig voll wird es erst nach zwölf.«
»Bekomme ich eine Eintrittskarte, damit Sie mich wieder einlassen?«
»Ich erkenne Sie schon wieder«, versprach der Türsteher.
Eine Stunde spazierte er durch das Labyrinth der StraÃen um die Bank of England herum â Stra Ãen mit Namen, die man den Amerikanern zuliebe Change Alley, St. Swithinâs Lane, Throgmorton Street, Austin Friars oder Kingâs Arms Yard genannt hat â und kaufte sich dann einen Hamburger. Er hatte den Eindruck, als wären nur abstoÃende Menschen unterwegs. Er wurde wütend auf Marisa und auf ihren ScheiÃliebhaber. Er las die Schlagzeilen der Zeitungen des
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