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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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die Schuld an allem, was Marius jetzt mit ihr machte oder eben nicht. War auch das von Anfang an Teil meiner Absichten gewesen – dass ich sie vor ihm würde retten müssen?
    *
    Â»Ich durchschaue dein Spiel«, hatte Elspeth mal zu ihm gesagt.
    Â»Ich spiele nicht«, sagte er.
    Â»Oh, doch, du spielst. Du gibst Frauen das Gefühl, dass es ihre Schuld ist, wenn du sie nicht begehrst.«
    Â»Frauen?«
    Â»Ich bin nicht blöd, Marius.«
    Â»Meine Liebe, ich würde mir niemals herausnehmen, dir das zu unterstellen.«
    Â»Das vielleicht nicht, aber deine Miene sagt es, du denkst es, du vermittelst es mir jedes Mal, wenn ich in deine Nähe komme.«
    Â»Soll ich jetzt sagen: ›Dann komm nicht in meine Nähe‹, nur damit du dich bestätigt fühlst?«
    Â»Dass du dich kennst, macht keinen liebenswürdigen, freundlichen Mann aus dir, Marius.«
    Â»Willst du damit sagen, dass Selbsterkenntnis nicht der Weisheit letzter Schluss ist?«
    Â»Wenn es dich betrifft, nicht.«
    Â»Wen sollte ich dann deiner Meinung nach kennen? Nenn mir eine Person, die ich kennen darf, ohne dass du sie ablehnst.«
    Die Bemerkung bezog sich auf ihren letzten Streit, bei dem sie ihm vorgeworfen hatte, ihr Patenkind verführt zu haben, ein hübsches Mädchen mit Mata-Hari-Augen, die, wie ihre Patentante, eine Schwäche für intelligente Männer hatte. Dass Marius es wagte, auf diesen Vorfall anzuspielen, wenn auch indirekt, bewies in Elspeths Augen nur, wie berechtigt ihre Kritik war. Doch gegen seine Logik kam sie nicht an.
    Â»Dreckskerl!«, sagte sie.
    Er schürzte die Lippen. »Und du wunderst dich, dass ich nicht in deine Nähe komme.«
    Das Patenkind hieß Arwen, und sie war die Tochter einer ehemaligen Studentin ihres Mannes. Die Mutter verband eine enge Freundschaft mit Elspeth, die auf ihrer gemeinsamen Begeisterung für Mittelerde beruhte, und um Tolkien eine gewisse Kontinuität zu garantieren, hatte sie, sollte ihr etwas zustoßen, Elspeth gebeten, Pate für ihr Kind zu sein. Arwen hatte eine Zeit lang bei ihnen in Church Stretton gewohnt, um sich von einer unglücklichen Affäre mit einem berühmten Dichter zu erholen, den sie bei einer Signierstunde in einer Londoner Buchhandlung kennengelernt hatte. Er hatte sich bei ihr entschuldigt, weil er mit seinem Füllfederhalter die Widmung verschmiert hatte. »Es ist ganz feucht«, sagte er.
    Â»Ich liebe es feucht«, hatte Arwen geantwortet. Am Tag darauf hatte der Dichter seine Frau verlassen.
    Ein halbes Jahr später verließ er Arwen.
    Bei Marius war sie vorsichtiger, und der warnte sie ganz allgemein vor Literaten und Dichtern im Besonderen.
    Â»Trug er einen dunklen Anzug oder ein Stirnband und zwei Ohrringe?«, fragte er sie.
    Â»Sind das die beiden einzigen Möglichkeiten, die ein Dichter hat?«
    Â»Ja.«
    Â»Er trug einen dunklen Anzug.«
    Â»Habe ich mir schon gedacht. Das sind die Schlimmsten. Und sprach er mit leiser Stimme?«
    Â»Woher weißt du das?«
    Â»Und er kaute auf den Worten herum, um sie für dich verdaulicher zu machen, stimmt’s? Aber er war kaum zu verstehen. Sodass du jedes Mal gezwungen warst, dich vorzubeugen, damit du überhaupt hören konntest, was er sagt. Wie ein Bettler, der um ein Almosen bittet.«
    Sie lachte, und ihre Augen blitzten. »Woher weißt du das alles?«
    Â»Weil er ganz genauso ist«, hatte sich Elspeth eingemischt.
    Sie saßen im Garten und sahen hinüber zu dem lila gefärbten, träge sich fläzenden Hügel des Long Mynd – der Anblick auf Erden, der Marius am meisten verhasst war. Elspeth schenkte ihnen Pimm’s ein. Es war vier Uhr, und Marius verspürte, der Stunde gemäß, den Reiz des Begehrens in ihm aufsteigen. Sein Blick suchte den des Mädchens. Er brauchte ihn nicht, um sich mitzuteilen. Elspeth hatte schon alles für ihn gesagt. Es war eine ihrer Selbsttäuschungen anzunehmen, sie könnte ihn als Lump bloßstellen. Damit stachelte sie nur die Neugier der Frau, die sie abschrecken wollte, noch an. Drei Tage lang hielt Marius den Blick des Mädchens gefangen und ließ Elspeth reden.
    Â»Weißt du, er ist auch so etwas wie ein Dichter, »mon mari« Marius. Und wird zum Töpfer, wenn die Verse nicht fließen. Aber bisher habe ich noch kein Gedicht und kein Gefäß dabei herauskommen sehen, trotz seiner langen Nächte

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