Liebesdienst
là .« Sie zeigte auf den Holzschuppen, den Marius gezimmert hatte, seine Zuflucht vor der Last, als jüngerer Mann an eine ältere Frau gefesselt zu sein, die vor Unsicherheit verzweifelt ist.
»Arbeitest du da jede Nacht?«, hatte Arwen gefragt.
»Ja, irgendwas macht er dort jede Nacht«, fuhr Elspeth fort. »Würdest du das Arbeit nennen, Marius? Oder gehst du nur hin, um dir vorzustellen, du wärst in der Finsternis mit den Füchsen allein?«
Marius hielt Arwens Blick gefangen.
Am dritten Abend schlich sich Arwen in den Garten und klopfte an die Schuppentür. Marius öffnete, sie streckte ihm die Lippen entgegen, und eine Hand krallte sich in seinen Nacken.
»Was soll das?«, fragte Marius.
»WeiÃt du doch. Kann ich reinkommen?«
»In der Tür gefällst du mir besser«, sagte er. »Der ewige Besucher.«
»Was soll das heiÃen?«
Er murmelte irgendetwas vor sich hin und drehte sie dann um, sodass sie sich mit dem Rücken an ihn lehnen konnte. Er nahm ihr Gewicht auf und atmete den Duft ihres Haars ein. Sie entspannte sich, seufzte. Er schob seine Hände unter ihren Pullover und hielt ihre Brüste. Sie bekam ein klein wenig Angst, weil er ihre Brüste so festhielt. Nicht Angst vor seiner Kraft, vielmehr vor dem, was sie als Sarkasmus empfand, wenn sich denn Sarkasmus in der Art und Weise spüren lässt, wie ein Mann die Brüste einer Frau hält.
»Riech mal, die Nacht«, sagte er. »Wenn du lange genug hinguckst, kannst du die Umrisse der Berge erkennen.«
»Wie schön«, schmachtete sie.
»Schön? Da drauÃen herrscht der Tod.«
Damit stieà er sie von sich in den Garten und schloss die Tür zu seinem Schuppen.
Woher ich das alles wusste? Erstens habe ich Augen im Kopf. Zweitens verlasse ich mich auf meine Intuition (ein Masochist ist nicht das Gegenteil eines Sadisten, aber er kennt ihn gut, so wie eine Fliege eine Spinne kennt). Und drittens hat Marisa es mir gesagt.
Manche werden sich fragen, warum Marisa mir im Laufe der Zeit so vieles von dem, was Marius ihr anvertraut hatte, weitererzählt hat. Meine Frage ist viel prinzipieller: Welche Absicht verfolgte Marius, indem er ihr so viel anvertraute.
Meine Antwort: ihre Destabilisierung.
Liebe geht seltsame Wege. Manche Liebespaare pissen sich gegenseitig in den Mund. Eine Frau verbrüht den Penis ihres Mannes mit heiÃem Wachs. Ein Mann bestellt einen Fremden in Marquis-de-Sade-Bundhosen, damit der an einem öffentlichen Ort seiner Frau eine Reitgerte in die Vagina schiebt. Es muss nicht sein, aber es ist häufig Ausdruck aufrichtiger Hingabe.
Der wahre Sadist wirkt in der Stille und bedient sich keiner der klobigen Maschinen der Grausamkeit, sein Betätigungsfeld ist der Geist, nicht der Körper.
Daher die geistige Unruhe, die ich bei Marisa ausmachte.
Doch das war alles nur Theorie. Es konnte genauso gut sein, dass Marisa unglücklich war, weil sie und Marius so verliebt waren, dass sie beide nicht mehr weiterwussten.
*
Mehrere Wochen nach Beginn ihrer Depression, falls es denn eine war, brachte ich schlieÃlich den Mut auf, Marisa zu fragen: »Alles in Ordnung?«
Es war ein Risiko, das war mir klar. Seit unserem Streit war ich nicht mehr auf Marius zu sprechen gekommen, und es war kaum möglich zu fragen, ob alles in Ordnung sei, ohne seinen Geist in unserem Schlafzimmer heraufzubeschwören, einem Ort, aus dem er â gesprächsweise â verbannt war.
»Mir geht es gut«, sagte sie. »Frauenleiden.«
»Und da kann ich gar nichts machen?«
»Gegen Frauenleiden?« Sie schmunzelte. Ein matteres Lächeln, als mir lieb war. »Hast du jemals was gegen Frauenleiden tun können?«
»Meinen Mann stehen«, gab ich zu bedenken, und kaum hatte ich die ÃuÃerung getan, bereute ich sie auch schon.
Sie küsste mich auf die Wange und kleidete sich weiter an, ein Vorgang, bei dem sie seit einiger Zeit lieber für sich blieb. Viele Rituale unserer Ehe wirkten jetzt seltsam oder hatten sich verändert, zu meinem Bedauern. Die Offenheit war weg, das Intime erloschen.
Wir verlieÃen gemeinsam das Haus. Ich fragte sie nicht, wohin sie ging. Auch etwas, das sich geändert hatte. Früher wussten wir Bescheid über den Tagesablauf des anderen, als wäre er unser eigener. Ich war stolz, wenn ich montagmorgens Marisas Wochenplan herunterbeten konnte. Aus und vorbei. Jetzt
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