Liebesdienst
sich, mir zu helfen; er hatte Angst, ich könnte ihn wieder gröÃerem sexuellen Stress aussetzen.
»Ich verlange ja nichts von Ihnen«, sagte ich. »AuÃer dass Sie morgen Vormittag zu dieser Adresse gehen â es muss vor zehn Uhr sein, dann ist er zu Hause â und dem Mann, der dort wohnt, dieses Buch geben. Keine Fragen. Kein Spionieren. Nichts. Sie klingeln einfach nur an der Tür, warten so lange, bis er die Treppe hinunterkommt, und übergeben es ihm. Er wird unweigerlich fragen, von wem es ist. Sagen Sie ihm, es sei von jemandem, der Sie bei Vicoâs angesprochen habe. Und dass diese Person unbedingt wünsche, dass er es auch wirklich bekomme. Nennen Sie unter gar keinen Umständen meinen Namen, obwohl ich kaum glaube, dass er ihn kennt. Vielleicht erkennt er Sie aus dem Restaurant wieder, vielleicht nicht. Er guckt sich die Leute in seiner Umgebung nicht genau an. Wenn er Sie wiedererkennt, kein Problem. Eigentlich sogar besser. Es macht Ihre Geschichte, woher das Buch kommt, glaubwürdiger. Wenn er wissen will, woher Sie seine Adresse haben, sagen Sie, der Absender hätte sie Ihnen gegeben. Wenn er Sie in seine Wohnung bittet, lehnen Sie ab. Das soll kein Verhör werden. Ich bitte Sie nur darum, ihm das Buch persönlich zu überreichen, lassen Sie es sich nicht zurückgeben. Wenn er es Ihnen vor die FüÃe wirft und die Tür zuknallt, klingeln Sie wieder, so lange, bis er an die Tür geht. Und achten Sie darauf, dass der Umschlag nicht herausfällt. Der Umschlag enthält wichtiges Material.«
»Und wenn er gar nicht zu Hause ist?«
»Zu der Tageszeit ist er immer zu Hause. Er schreibt, bis mittags, oder tut zumindest so. Bisher hat er noch keine einzige Zeile veröffentlicht. Eher unwahrscheinlich, dass je ein Wort von ihm gedruckt wird, aber er schreibt trotzdem. Es ist so etwas wie eine Glaubensübung. Ich nehme an, dass Sie katholisch sind, Ernesto. Marius ist nicht katholisch, aber das ist seine Art, für seine Sünden zu büÃen.«
»Und wie büÃen Sie für Ihre Sünden, Mr Quinn?«
»Indem ich Bücher verschenke, Ernesto.«
Das Buch für Marius hatte ich vor einigen Monaten gekauft, ohne damals schon zu wissen, wann und aus welchem Grund ich es verschenken würde. The Rough Guide to West Africa . Vielleicht würde Marius den Wink verstehen und hinfahren. Das soll ein Witz sein. Noch wollte ich ihn nicht des Landes vertreiben. Ich schrieb eine Widmung hinein, da ich schon immer gerne Widmungen in Bücher geschrieben habe, aber diesmal versehen mit einem Zitat, das ich vorher noch nie verwendet hatte. Marius dagegen dürfte es aus verschiedenen Gründen kennen. Es lautete: »Es gibt kein süÃeres Vergnügen, als einen Menschen dadurch zu überraschen, dass man ihm mehr gibt, als er erhofft hat.« Unterschrieben mit Initialen, die er nicht würde entziffern können. Die Ãberraschung â falls das Buch als Ãberraschung allein nicht reichen sollte â verbarg sich in einem schmalen weiÃen Umschlag, den ich zwischen die Seiten gesteckt hatte. Der Umschlag enthielt einen Brief, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Frau, mit der er eine intensive Bindung eingegangen sei und die, wofür alles spreche, ihm nicht minder zugeneigt sei, noch einen anderen Lover habe â sogar jetzt, in diesem Moment. Ihren Sonntagstermin habe sie deswegen so kurzfristig abgesagt, damit sie mit diesem anderen Liebhaber zusammen sein könne. Falls seine Neugier sich auch auf solche Bereiche erstrecke, könne er die beiden an diesem Sonntagnachmittag â sagen wir vier Uhr? â im Regentâs Park antreffen, beim Tanzen, vor aller Welt, den Tanz der Hafenprostituierten, der Bordelle, der Spelunken und der Geilheit, den Tango.
Dieser Brief war nicht unterschrieben.
Als könnte er den geringsten Zweifel hegen, wer ihn geschickt habe.
Ich rechnete mir eine dreiÃigprozentige Erfolgschance aus. Zunächst musste Ernesto Marius das Buch bringen, musste es an der richtigen Adresse abliefern, zum richtigen Zeitpunkt, und alles genau so machen, wie ich es ihm erklärt hatte. Marius wiederum musste sich dazu bequemen, das Buch aufzuschlagen und nach einer Widmung zu suchen, obwohl es allen Grund zu der Annahme gab, dass er es nicht tun würde, da er sich gewiss dachte, wer der Absender war. Und dann musste er sich noch eingestehen, wenn auch nur vor sich selbst, dass er
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