Liebesdienst
beneidete ich ihn sogar noch mehr. Marisa ihrerseits nahm ihm seinen Minuten-und-ScheiÃsekunden-Sermon nicht ab. Aber das hatte, glaube ich, einen anderen Grund. Ihr war nicht klar, wie eifersüchtig selbst gleichgültige Männer sein können, jede Minute, jede ScheiÃsekunde. Ich habe daran nie gezweifelt. Wenn ich Marisa ins Theater oder die Oper begleitete, überlegte ich, wie Freddy sich uns in der Dunkelheit vorstellte. Wenn wir durch den Park spazierten, überlegte ich, ob Freddy sich wohl fragte, wie viele seiner Freunde uns sahen, was sie sich dabei dachten, welche Rückschlüsse sie aus unserem intimen Umgang zogen, und wie sich unser Zusammensein, auf einer Bank sitzend, den Enten Brotkrumen zuwerfend, auf ihn auswirkte. Im Gespräch mit Marisa in einem Restaurant stellte ich ihn mir verkleidet am Nebentisch sitzend vor, still wie ein Hase, beobachtend, zuhörend, alles in sich aufnehmend, auf dass kein Wörtchen der Untreue seinen Sinnen entging; oder wie er drauÃen Fotos für den Richter machte, zum handfesten Beweis des Treuebruchs, den ein Gespräch theoretisch für ihn darstellte.
Nicht vergessen, er hatte keinen Sinn für Humor. Humorlose Männer, die sich vor der Intimität, die Lachen mit sich bringt, fürchten und sie hassen, weil sie ihnen fremd ist, entwickeln eine Eifersucht, die weit über das hinausgeht, was andere, mit dem üblichen Maà an Humor ausgestattete Männer empfinden. Oder wenigstens sind sie auÃerstande, sie in ein Gefühl umzuwandeln, aus dem sie Trost, ja sogar Lust schöpfen können. Dies nur, weil ich keinen Konkurrenten in Sachen Eifersucht dulde und hoffe, trotzdem Humor zu haben. Die Rolle des Gehörnten verlangt Esprit. Für Freddy muss der Gedanke, schlimmer noch, der Anblick von Marisa und mir, wie wir lachten und unseren Spaà hatten, wie eine Marter für sein Gehirn gewesen sein.
Der Glückspilz! Wenn er nur verstanden hätte, es zu genieÃen.
Es mag seltsam erscheinen, dass ich einen Mann um das beneidete, was ich ihm zugemutet hatte, doch in Bezug auf Sex sollte uns Menschen nichts überraschen. Was ist denn Neid, so wie ich ihn beschrieben habe, anderes als Fantasie im Dienst der Menschheit? Ich versetzte mich an Freddys Stelle, weil es mir Lust machte, nicht um über ihn zu triumphieren, sondern aus Sympathie. Ist das nicht genau die Art von praktischer Mitmenschlichkeit, die alle Religionen dieser Welt von uns verlangen? Und ebenso die Kunst. Wir versetzen uns in die Gedankenwelt eines anderen Menschen. Mozart versetzte sich in die ungehobelte Eifersucht von Masetto, Shakespeare in die geistreiche Eifersucht von Leontes und Tolstoi in die wahnsinnige, von Beethoven angefeuerte Eifersucht von Posdnyschow. Wenn die Künstler im Moment der Erschaffung dieser gequälten Figuren nicht bereit gewesen wären, das zu erleiden, was sie ihnen an Leid andichteten, hätten sie diese Meisterwerke der Kunst nie hervorgebracht. Natürlich ist in der Kunst Neid nicht das richtige Wort. So wie Kunst kaum das richtige Wort ist für das, was wir empfinden, wenn wir neidisch sind. Aber es hatte etwas von Kunst an sich, als ich mit Daumen und Zeigefinger endlich Marisas Handgelenk umfasste und in dem armen Freddy diesen Gefühlsaufruhr auslöste.
Bald nach der Scheidung heirateten wir. Die Trennung fiel Freddy und Marisa leicht. So leicht, dass nur schwer auszumachen war, was die beiden eigentlich zusammengehalten hatte. »Ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft, als ich ihn kennenlernte«, sagte Marisa. »Und er kannte die Texte von allen Songs, die ich gerne hörte.«
Still saà sie am Morgen vor unserer Hochzeit in einem Café neben mir, fuhr sich mit der Hand durch das kupferfarbene Haar und zählte Freddys Qualitäten auf. »Eigentlich bewundere ich ihn. Was er gut beherrscht, daran hat er immer festgehalten. Und er hat alles selbst geschafft. Ich war privilegiert, durch mein Elternhaus, er nicht. Er musste sich alles allein erkämpfen.« Sie hob den Blick und sah mich an, ernst wie immer. »Ich möchte kein schlechtes Wort über ihn hören«, sagte sie.
Ich nickte. Ich hatte nicht das Gefühl, mich gegen einen ungerechtfertigten Vorwurf zur Wehr setzen zu müssen. Es war klar, was sie machte. Sie brachte ihr Haus in Ordnung, bevor sie in ein anderes zog. Sie könne mehr als einem Mann die Treue halten, wollte sie mir zu verstehen
Weitere Kostenlose Bücher