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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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trug.
    Freddys lodernde Augen durchbohrten mich. Vielleicht spielte ja auch er eine für ihn ungewohnte Rolle. Er zündete sich eine Zigarette an und warf das erloschene Streichholz auf den Teppich. Ich bückte mich und hob es auf.
    Â»Wir werden ja sehen«, sagte er. »Wir werden sehen, was Eindruck macht, wie Sie es so elegant formuliert haben. Ganz sicher kennen Sie sich mit Scheidungsgerichten besser aus als ich. Aber meiner unmaßgeblichen Ansicht nach würde Ihnen das, was Sie unter Unterhaltung verstehen, in einigen Regionen der Erde lebenslänglich einbringen.«
    Welche Regionen der Erde konnte er meinen? Saudi-Arabien? Den Jemen?
    Â»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hätte nicht gedacht, dass das ein Scheidungsgrund wäre.«
    Â»Wie nett von Ihnen. Was hätten Sie denn gemacht, wenn Sie gedacht hätten, es wäre einer? Kürzere Sätze?«
    Er fuchtelte so lebhaft mit den Armen, dass ich damit rechnen musste, unfreiwillig doch noch eins auf die Nase zu bekommen.
    Â»Tut mir leid«, wiederholte ich.
    Â»Ihnen wird noch was ganz anderes leidtun. Ich werde Sie um jeden Penny bringen, den Sie haben, Quinn, darauf können Sie sich verlassen.«
    Seine Hand vollführte eine opernhafte Geste, die wahrscheinlich bedeuten sollte: Nimm Abschied von all diesen schönen Dingen, deinen Regalen mit Erstausgaben moderner Klassiker, deinen Mahagonibücherborden, deinen illuminierten Bibeln, deinen Berlioz-Bänden, deinem aufgeblasenen Lebensstil, der es dir erlaubt, nachmittags die Frauen anderer Männer in Restaurants auszuführen. Ich glaube, ich kannte sogar die passende Arie. Non più andrai, farfallone amoroso …
    Ich zuckte die Achseln. Was hätte ich sonst tun sollen? Ich besaß keine Begabung für die Rolle des anderen Mannes.
    Â»Und ich schicke Ihnen jedes Buch zurück, das ich hier gekauft habe, zusammen mit den Büchern, die Sie meiner Frau für mich aufgeschwatzt haben. Für mich . Ha, was für ein Witz! Zum Glück war ich nicht eingeweiht. Ich warne Sie im Guten, Quinn, ich verlange Erstattung für jedes Buch, mit Zins und Zinseszins.«
    Ich neigte den Kopf. Eine innere Stimme sagte mir, dass jetzt nicht der Moment war, ihn an die strengen Geschäftsbedingungen von Felix Quinn: Antiquarische Buchhandlung zu erinnern: Kein Rückkauf. Kein Rückgaberecht.
    Er war fertig mit mir. Keuchend stieg er die Treppe hinauf, drehte sich jedoch, bevor er oben auf dem Bürgersteig angekommen war, noch einmal zu mir um. Genau den gleichen pantomimischen Schwenk hatte ich ihn schon im Fernsehen vollführen sehen, bevor er eine seiner berühmten wirren Schaunummern vor der Kamera hinlegte. Er warf die angerauchte Zigarette zu Boden. Mit der einen Hand machte er eine Geste großmütigster Freigebigkeit, indem er die fünf Finger in den Wind spreizte, mit der anderen mimte er ein saugendes Meeresungeheuer mit spinnenartigen Tentakeln, das auf obszöne Weise um die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlte.
    Â»Eins noch, Quinn«, verkündete er. »Eine Frau, die einen Mann betrügt, wird auch den nächsten betrügen. Das ist das unumstößliche Gesetz der Frau. Bitte sehr, ich trete sie Ihnen ab. Viel Freude mit ihr. Gehen Sie mit ihr ins Bett. Schlingen Sie Ihre Arme um sie und unterhalten Sie sich mit ihr, soviel Sie wollen. Aber vergessen Sie nicht: Morgen liegt sie in den Armen eines anderen, saugt seine Worte ein, hängt an seinen Lippen, so wie sie jetzt an Ihren hängt. Worte sind billig, Quinn. Das müssten Sie eigentlich wissen. So billig wie die Liebe einer Frau, auch das müssten Sie wissen. Das ist mein Geschenk an Sie, und nein, ich erwarte ich keinen Dank: eine Frau, deren Treue man sich nie sicher sein kann, keine einzige Stunde, keine einzige Minute, keine Scheißsekunde lang …«
    *
    Er kam darüber hinweg. Das ist das unumstößliche Gesetz des Mannes, jedenfalls dieser Sorte Mann. Er und Marisa wurden geschieden, ohne dass sich ein Richter Fotos von dem Mitbeklagten im Gespräch mit der Ehefrau angucken musste. Kurz darauf heiratete Freddy seine Assistentin, eine Frau, deren Treue, wenn er mit seiner Einschätzung richtiglag, er sich nie gewiss sein würde.
    Ich beneidete ihn um diese Ungewissheit. Nicht weil es mir selbst an Ungewissheiten mangelte, sondern weil man nie genug davon haben konnte.
    In der Zeit, als Marisa und ich ihm das Leben zur Hölle machten,

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