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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Wesens verschrieben. Dennoch meinte ich, so etwas wie einen Entschluss in ihren Augen zu lesen – ein Entschluss, der mir jetzt, in der Rückschau, finster, bis ans Tragische grenzend, scheint –, nämlich zu akzeptieren, dass ich nun mal so war, wie ich war, und sie nicht danach trachten würde, mich zu ändern; dass mich die Logik meines Begehrens in Fesseln schlagen würde. Wenn es nicht meine Sache war, sie im Dunkel des Glaubens zu begehren, so wie Männer gewöhnlich Frauen begehren, wenn ich stattdessen in rastlosem ständigem verwundendem Zweifel leben wollte, dann würde ich fortan in dem Zweifel leben müssen, ob sie mich verwundete oder nicht.
    *
    Die ersten Jahre unserer Ehe verliefen in einer Art gespannter Harmonie, wobei jedes Gespräch, auch die angedeuteten und verweigerten, an unserer Unsicherheit rüttelte, aber letzten Endes folgenlos blieb. Ich verfolgte nicht weiter die anstößige Idee einer Dreierkonstellation, und Marisa gab mir keinen Grund zur Eifersucht: eine Freiheit von Pein, die mir, bis ich mich daran gewöhnt hatte, Pein genug war. Es gibt jedoch einen Hunger danach zu wissen, wovon man nichts weiß, den kein noch so stetiges Stochern in der Wunde des Zweifels stillen kann.
    Und so sorgte ich schließlich für eine Gelegenheit der höheren Lust, oder, besser gesagt, sie kam mir entgegen, und ich griff willig zu.
    Ein Verwandter von mir, ein Quinn, jedoch um zu viele Ecken, als dass ich ausklamüsern könnte, wie wir genau verwandt waren, schrieb mir und fragte mich, ob er eine Zeit lang in unserem Geschäft arbeiten könne, um Berufserfahrung zu sammeln. Mir blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen, obwohl mich seine Handschrift und seine Ausdrucksweise wenig beeindruckten. In geschäftlichen Dingen lässt ein Quinn den anderen nicht hängen. Eine sonderbare Treue, wenn man bedenkt, wie scheußlich sich die Männer in unserer Familie ihren Frauen gegenüber verhielten, doch andererseits waren die Frauen auch keine geborenen Quinns.
    Sein Name war Quirin. Quirin Quinn. Die Initialen QQ waren nicht selten in unserer Familie, vermutlich schon deshalb, weil sie sich als Monogramm in Gold auf Ledertaschen und -koffern elegant ausmachten. Ich hatte von mindestens drei Quentins unter uns gehört, einem Quinton, einem Quintus, noch einem weiteren, früheren Quirin und, kaum zu glauben, einem Quilp. Dieser Quirin entpuppte sich als dem Familienzweig der Hochgewachsenen zugehörig. Bei den Quinns gibt es keine halben Sachen – man ist entweder groß oder klein. Und man versprüht Geistesblitze, oder man versprüht keine. Quirin blinkte wie ein Leuchtturm, was ihn als Angehörigen des Familienzweigs der Großen und Faulen auswies. Ein Knabe, goldig wie sein Monogramm, sympathisch, hübsch, auf eine träge, bübchenhafte Art, mit zarter Haut und blonden Locken, einer Vorliebe für Westernkrawatten und blumengemusterte Jacken, und mit einer wenig vertrauenswürdigen Ausstrahlung. Er war kein Student, wie ich nach seinem Hinweis auf »Berufserfahrung« befürchtet hatte, und nach einem Ausflug in die Werbe- und Public-Relations-Branche noch immer unentschlossen, was er mit sich anfangen sollte. Irgendeine Lügengeschichte über einen Rauswurf aus einer Wohnung, die er sich mit einer alten Freundin geteilt hatte, war der Auftakt zu seiner Frage, ob er für ein paar Tage bei uns unterschlüpfen könne, bis er alles geregelt habe. Nein, war meine spontane Reaktion, doch dann sagte ich aus irgendeinem Grund Ja.
    Unser Haus war groß, erbaut um 1770, von einem Architekten namens Johnson, im Adam-Stil. Viele hatten sich seitdem jedoch daran vergriffen, in erster Linie mein Großvater, der von einer Kreuzfahrt auf der Queen Mary nach New York – ich glaube, es war die Jungfernfahrt 1936, und mein Großvater zu dem Zeitpunkt noch genussfreudiger als 1919 – mit der Überzeugung heimgekehrt war, ein Haus müsse wie ein Schiff aussehen. Daher die aufdringlich ausladende, bogenförmige Empfangstreppe, die er einbauen ließ, das stark nachgedunkelte Messinggeländer, der riesige, klimpernde Kronleuchter, welches alles wieder abzureißen bisher kein Familienmitglied das Geld noch den Willen aufgebracht hatte. Obwohl das Haus aus diesem Grund sehr viel größer wirkte, als es tatsächlich war, gab es durchaus genügend Zimmer, um eine ganze Schar junger

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