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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Vorstellung, sie könnten glauben, er verfolge sie, beschämt ihn. Die Alternative – die Vorstellung, sie hätten ihn verfolgt – ist ihm auf andere Art peinlich.
    Wir schreiben das Jahr 1919, und mein Großvater, ebenjener Felix Quinn, hält sich aus geschäftlichen Gründen in Zürich auf, um die Bibliothek eines Industriellen zu inspizieren, der jetzt, da Europa wieder sicher ist, nach Paris ziehen, aber seine Bibliothek nicht mitnehmen will. Felix wird rot bis über beide Ohren – das würde ich an seiner Stelle auch –, da fällt ihm auf, dass sein unangemessenes Interesse an der Frau am Tisch gegenüber – die laszive Verfügbarkeit und zugleich Nichtverfügbarkeit, die sie ausstrahlt, fasziniert ihn – von dem Mann, den er für ihren Ehemann hält, nicht unbemerkt bleibt.
    Felix senkt den Kopf und versucht, sich auf seine Fischsuppe vor ihm zu konzentrieren. Aber es ist ihm unmöglich, nicht doch ab und zu die Augen zu heben, und jedes Mal trifft er auf den Blick der Frau und ihres vogelartigen Begleiters, die ihn mit Mienen anstarren, die zu beschreiben ihm die Worte fehlen.
    Zu seiner Erleichterung – so jedenfalls hat er sich später immer ausgedrückt, Erleichterung – verlässt schließlich die Frau den Tisch. Felix hört nur, wie sie sich erhebt und geht, er sieht es nicht. Kurz darauf steht der Mann vor ihm, beherrscht, aber äußerst erregt, und fragt, ob er sich zu ihm setzen und mit ihm besprechen dürfe, wie es zwischen ihnen stehe, da sie sich in letzter Zeit des Öfteren gesehen, aber noch kein Wort miteinander gewechselt hätten.
    Â»Bitte«, sagt mein Großvater und deutet mit der Hand auf einen Stuhl.
    Â»Ich würde«, antwortet der Gentleman, wobei er mit der Zigarette in der Hand einen galanten Kreis in der Luft beschreibt, »die Einladung gern ebenso aussprechen.« Dann setzt er sich hin, hustet ein paar Mal und fixiert Felix mit einem Blick von so schrankenloser Entschlossenheit, dass er fürchten muss, darunter zu verbrennen.
    Als Felix den Mann im Park gesehen hatte, in einen grauen Mantel gehüllt, hatte er ihn für einen Revolutionär gehalten. Im Theater, in seinen glänzenden Herrenpumps, erinnerte er eher an einen Tanzlehrer. Und heute sieht er aus wie einer aus dem Varieté. In Wahrheit ist er ein Exilant aus Irland, Sprachenlehrer in Zürich und ein Schriftsteller, der dabei ist, sich einen Namen zu machen, und von dem Felix beschämenderweise gestehen muss, noch nie gehört zu haben. »Ich bin erst seit knapp einer Woche hier«, erklärt er.
    Felix liebt das Theater und das Lesen von Romanen, und eine Zeit lang unterhalten sie sich über Literatur – Ibsen, Flaubert, George Bernard Shaw. Sobald der Mann spitzbekommen hat, dass Felix, wie alle Felixe in unserer Familie, humanistisch gebildet ist, fängt er an, seine Beiträge mit lateinischen Einsprengseln zu würzen, die meinem Großvater mal jesuitisch, mal pennälerhaft klingen. Er versteht nicht alles, was gesagt wird, aber er begreift, dass der Mann intime, um nicht zu sagen obszöne Details über seine Frau preisgibt. Weil es ihm an der Selbstsicherheit fehlt, einem Älteren zu widersprechen oder ihn aufzufordern, sich als Ehemann auf den Anstand zu besinnen, weil er es nicht schafft, sich auf das eigene Zartgefühl oder die eigene Schüchternheit zu berufen, lächelt er nur weiter schwach, während ihm der lebendige Körper der abwesenden Frau in einer toten Sprache gepriesen und aufgetan wird.
    Â»Dann werden Sie also mit ihr schlafen?«, fragt der Mann schließlich, als hätte das ganze Gespräch bis hierhin nur dieses eine Ziel gehabt.
    Felix weiß nicht, was er sagen soll. Nach dem, was er bis jetzt zugelassen hat, kann er an dem Angebot keinen Anstoß nehmen. Auch kann er, ohne selbst Anstoß zu erregen, die Frau schlecht ablehnen. Und die Frage, ob sie in der Sache überhaupt um ihre Meinung gebeten wurde, wie es sich nur gehört hätte, war, wenn sie eingewilligt hätte, gleichbedeutend mit einer Einwilligung. Schließlich bleibt ihm nur eins übrig. »Ich überlege es mir«, sagt er. »Ganz bestimmt. Ihr großmütiges Angebot ehrt mich.«
    Â»Vielibus Dankibus«, sagt der Schriftsteller und zündet sich eine Zigarette an. »Es wäre von unschätzbarem Wert für meine Recherchen.«
    Am Tag darauf, nachdem er

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