Liebesdienst
einer Zeitschrift. Er lachte, als er mich sah, ein Lachen wie überflieÃendes Wasser. »Klasse Weib, deine Frau«, sagte er.
Der saloppe Ton ging mir durch und durch, als hätte er mir den Bauch aufgeschlitzt. Gleichzeitig wollte ich Quirin dazu bringen, einen noch salopperen Ton anzuschlagen. Warum klasse Weib? Warum nicht schön? Warum nicht verführerisch? Auch wenn mir das Wort sexy zuwider ist, aus seinem Mund hätte ich es glatt akzeptiert. »Sexy Weib, deine Frau« â wie behaarte Finger hätte sich der kleine gemeine Neologismus auf Marisas Ehre gelegt.
Drei Tage später überlieà ich die beiden abends erneut sich selbst. Diesmal erzählte Quirin mehr aus seinem Leben und stellte sich ohne jede Scham, soweit ich das mitbekam, in den freundlichsten Farben dar. Gelegentlich schwappte ein weiblicher Name zu mir herunter, gefolgt von einem verächtlichen Schnauben der Unverbesserlichkeit, das klang, als wäre die Frau noch so eine, die er entweder entkommen oder fallen gelassen hätte. Wie diese Namensliste wohl auf Marisa wirkte?, fragte ich mich. Machte sie sie eifersüchtig? Fühlte sie sich nachträglich gekränkt?
Wieder fand ich Quirin alleine vor, als ich mich nach oben begab. Er trank meinen Brandy und hatte »wie verrückt« nach einem Radio oder CD-Player gesucht. »Ich habe noch nie in so einem stillen Haus gewohnt«, stellte er fest. »Was hörst du denn sonst so den ganzen Tag?«
»Tagsüber bin ich nicht da«, sagte ich.
»Und Marisa?«
»Frag sie selbst.«
»Hörst du keine Musik, wenn du nach Hause kommst?«
»Manchmal. Aber ich bezweifle, dass meine Musik etwas für dich wäre.«
Er konnte sich nicht dazu aufraffen, sich gegen den Affront zu verwahren. Vielleicht fasste er meine Antwort auch nicht so auf. »Ich könnte ohne Musik nicht leben«, sagte er.
»Ich schon«, sagte ich, was unaufrichtig war, denn ich lieà unerwähnt, dass mir die Musik in meinem Kopf reichte.
Ein paar Tage nach diesem Gespräch passte er mich eines Morgens ab, als ich gerade aus dem Haus gehen wollte â er im Jutebademantel, ich im StraÃenanzug â, um mich zu fragen, ob ich am Abend zu Hause sein würde.
»Eigentlich müsste ich dich fragen«, sagte ich, »ob du vorhast, heute mal zu arbeiten? Du bist doch hier, um praktische Berufserfahrung zu sammeln, oder?«
Er lachte sein unwiderstehliches Jünglingslachen. »Ich mache heute meine neue Unterkunft klar«, sagte er. »Heute Abend hätten wir alle einen Grund zu feiern. Ich wollte was Teures köpfen.«
Was Teures köpfen? Eine Flasche aus meinem Keller?
Er schlang einen Arm um meine Schulter. Der Ruch übermütiger Jugendlichkeit ging von ihm aus â Parfüm, Haargel, frische Haut, Marihuana, Zuversicht, Musik, Sex. »Marisa hat mir verraten, was sie gerne trinkt«, sagte er. »Ich gehe nachher los, eine Flasche besorgen.«
»Hast du sie gefragt, ob sie überhaupt da ist?«
»Ja. Sie ist heute Abend da.«
Ich konnte mich nur wundern. Es war halb neun. Wann hatte er sie gefragt?
Als Marisa und ich uns an dem Tag zum Mittagessen trafen, wozu wir uns wenigstens zweimal die Woche verabredeten, erwähnte ich beiläufig, dass ich am Abend noch arbeiten müsse, wieder mal, und wahrscheinlich erst sehr spät loskommen würde und sie daher, so leid es mir täte, ohne mich mit Quirin auf die gute Nachricht anstoÃen müsse. Sie kniff die Augen zusammen. »Man könnte meinen â¦Â«, fing sie an, doch hielt dann inne. Wir lieÃen uns normalerweise nicht von Gereiztheit verleiten. Doch auch ohne den Rest des Satzes war Marisa schon weiter gegangen als üblich.
»Was könnte man meinen?«, fragte ich nach.
Sie lieà sich Zeit. »Man könnte meinen, du versuchst, ihm auszuweichen.«
»Stimmt.«
»Warum? Er ist doch ganz nett.«
»Was meinst du damit?«
Sie lieà nicht erkennen, ob die Frage sie ärgerte oder nicht. Sie war es gewohnt, mit Leuten umzugehen, die sich aus dem Fenster stürzen wollten. »So nett, wie es Jungs in dem Alter möglich ist«, sagte sie.
»Kann schon sein â wenn du damit meinst: hübsch und mit einem Blick für ältere Frauen.«
»Er hat kein Auge auf mich geworfen, Felix.«
»Aber auf deinen Ausschnitt«, sagte ich und bat den Kellner um die Rechnung.
Ich blieb bis neun
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