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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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Gedanken, dass Marisa mit einem parfümierten Dandy auf der Tanzfläche Händchen hielt. Ich hatte sie bereits im Restaurant beim Lunch mit einem parfümierten Dandy Händchen halten gesehen, und ich hatte es überlebt. Heute gäbe ich mich erst geschlagen, wenn kein Geringerer als der Teufel herkäme und sie nähme.
    Man kann es sehen, wie man will, jedenfalls setzte die »großartige Lady Blessington«, bewehrt mit Ehemann und effeminiertem Liebhaber, die Welt der Literatur und Mode weiter in Verzückung. »Sie sah umwerfend aus«, schrieb der Maler Benjamin Robert Haydon 1855 über sie, als sie nach den damaligen Maßstäben eine Frau mittleren Alters zu nennen war. »Ihr herrlicher Teint, vergoldet durch das schwelgerische Licht einer verliebten verschlafenen Lampe; ihr ganzes Auftreten sinnlich, üppig, geistreich und überwältigend.«
    Meiner Meinung nach lässt sich ein umfassenderes Kompliment an eine Frau kaum vorstellen, ganz gleich welchen Alters, schon gar nicht an eine Fünfundvierzigjährige, oder, nach Marius’ Maßstab gerechnet, eine, die sich rasant auf vier Uhr zubewegt, deren Tag also noch nicht vorbei, deren Triebwerk des Abends gerade erst angelaufen wäre. Sie starb an einem Herzinfarkt, mit neunundfünfzig Jahren, einem Alter, das Marius sich bei der Frau, die er einmal heftig geliebt hatte, nicht vorstellen konnte. Der Comte dagegen war untröstlich. Demnach schrecken also nicht alle jungen oder jüngeren Männer vor einer Falte zurück, als wäre sie die Pest.
    Mochten wir über Lady Blessington auch verschiedener Meinung sein, so hatte ich keine Zweifel, dass Marisa über das Porträt einen wunderbaren Vortrag halten würde, der einerseits diese außergewöhnliche Frau lebendig werden ließ, andererseits einen Zusammenhang zu anderen Bildern der Salonmalerei aus der Sammlung herstellte. Zum Beispiel hatte ich sie schon über Henry Bones’ Lady Hamilton als Bacchantin sprechen hören, einer Emailminiatur an der Wand gegenüber. Diese Miniatur war nach einem Original von Vigée-Lebrun angefertigt worden, was besser unterblieben wäre, wie Marisa meinte. »Was war das noch mal, was dir daran nicht gefällt?«, fragte ich sie gelegentlich, aus purer Lust, sie sagen zu hören: »Zunächst mal, sie ist mollig, schwammig und dumm und üppig behaart. Und was das hauchdünne Nachthemd betrifft, das genauso wenig von ihrem plumpen Körper der Fantasie überlässt, wie es gewiss Lord Nelsons Wunsch entsprach, so kann ich mir nicht vorstellen, wo sie es erstanden hat, da Ann Summers 1803 schließlich noch nicht ihren Laden eröffnet hatte.«
    Für den erotischen Appeal von Plumpheit bei einer Adligen konnte man von Marisa, als Frau, kein Verständnis erwarten. Eine Gesellschaftsdame, die als Bacchantin grandios versagt, findet ihren Weg in das private Erregungssystem eines Mannes, wo verkehrte sexuelle Neigung sich in richtige verwandelt. Damit ist nicht gesagt, dass man sich mit einer Lady Hamilton in diesem Gewand lange vergnügen möchte. Letztlich – und in dieser Hinsicht war Marius mit mir d’accord – bietet die Intelligenz in den Augen einer Frau mehr Anreiz als alles andere an ihr, und wäre das Maß an Bekleidung an ihr noch so gering. Eine Frau kann nicht verführerisch sein, wenn sie nicht auch klug ist – diese Ansicht, in dem Punkt war ich mir sicher, teilten wir beide.
    Je eher Marius also Marisa zu hören bekäme, wenn sie ästhetisch in voller Fahrt war, desto besser.
    *
    Ich wandte mich an Andrew, Marius’ ehemaligen Kommilitonen vom College, und bat ihn, Marius zu überreden, zu Marisas Vortrag zu kommen. Die beiden Männer gingen gelegentlich einen trinken, wie ich wusste, wobei Marius allerdings selten länger als eine halbe Stunde blieb und verschwand, ohne sich zu verabschieden, sobald Andrew mal auf die Toilette musste oder ihm eine andere Gelegenheit zu fliehen bot. Ich erfand irgendeine Geschichte, dass ich mir Sorgen machte, es könnten sich nicht genügend Leute zu Marisas Vortrag einfinden. Andrew hatte mir mal von Marius’ Leidenschaft für Baudelaire erzählt, und weil Baudelaire über das Künstliche in der Kunst geschrieben hatte, über die Allüren der Frauen und über Dandys, interessierte ihn vielleicht, was Marisa zu diesen Themen zu sagen hatte, da alle drei auch im Leben

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