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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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sah anderen Frauen nicht mehr hinterher, und ich dachte auch nicht mehr an andere Frauen. Nicht ein einziges Mal. Was hätten sie mir geben können, was auch nur annähernd so fesselnd gewesen wäre – fesselnd in jeder Hinsicht – wie das hier? Indem sie mich hinterging, schloss Marisa ihr gesamtes Geschlecht für mich aus. Ich lebte, nur um ihr treu zu sein.
    Doch diese Art von Treue – erotisierte Treue, die sich im Vergleich zu dem lästigen Schwanken des Libertins wie Wein zu Schleimsuppe verhält – fordert einen hohen Preis. Es erregte mich, ihr treu zu sein, unter der Bedingung, dass sie es nicht war. Ich will nicht behaupten, dass ich Marisa nicht weiter treu geblieben wäre, wenn sie mir nicht weiter untreu geblieben wäre, doch der Moment der Erregung lag in der Unausgewogenheit. Damit ich für Marisa brannte, musste Marisa für jemand anderen brennen. Ich konnte nicht wie versteinert im Subspace liegen, mir vorstellen, wie sich Marisa draußen in der einsamen Nacht herumtrieb, wenn sie lediglich eine gepflegte Unterhaltung mit jemandem führte, bei dessen Anblick sie nicht gleich in Flammen stand. Wenn ich mich als Mann auslöschen sollte, dann um einer höheren Sache willen als dieser. Marisa musste mich durch weit größere Verwegenheit – des Herzens und des Körpers – und durch einen Rivalen, der noch viel zerstörerischer für meinen Seelenfrieden und viel bedrohlicher für ihre exotische Selbstbeherrschung war als Miles, ängstigen.
    Jemanden, der uns beide in die Knie zwingen würde.
    Auftritt, dank dem Zuhälter Schicksal, Marius.
    Ist es ein Wunder, dass ich ihn mir schnappte? Eine unbestimmte, beunruhigende Erscheinung, als ich noch keine Verwendung für ihn hatte, eine Gestalt in der Ferne, die meine Männlichkeit ankratzte, und auf einmal tauchte er auf, gestört und gefährlich, ein enthaltsamer Immoralist, ein Sadist, der mit seiner Weisheit am Ende war, stand er vor meiner Tür. Genau der Richtige, um meine Ehe zu retten.

3 Marius und Marisa
    Â»Liebe sie, liebe sie, liebe sie! Wenn sie nett zu dir ist, liebe sie. Wenn sie dich verletzt, liebe sie. Wenn sie dein Herz in Stücke reißt … liebe sie, liebe sie, liebe sie.«
    Charles Dickens, Große Erwartungen

Von allen Schönen der großen Gesellschaft, deren Porträts in der Wallace Collection hängen, ist das von Margaret, Countess of Blessington, gemalt von Sir Thomas Lawrence, das betörendste. Das Bild hängt, wie es der Dame gebührt, an prominenter Stelle in einem puffroten, mit Damast und Samt ausgeschlagenen Raum gleich rechts neben dem Eingang der Galerie. Mit ihr bekannt gemacht hat mich mein Vater, der der Meinung war, sein Sohn solle eine künstlerische Erziehung genießen, schon deswegen, weil es gleich um die Ecke von unserem Haus so eine großartige Sammlung gab. Nach dem Motto, man braucht nur die Hand danach auszustrecken …
    Zugegeben, seine Vorstellung davon, was einen ästhetischen Diskurs ausmachte, war recht eindeutig. »Also das«, sagte er und blieb vor Lady Blessington stehen, »nenne ich einen Busen.« Doch manche Väter kommen nicht mal so weit mit der Erziehung ihrer Söhne.
    Lady Blessington stand Marisa in der Zeit, als sie Marius in dem Käsegeschäft zum ersten Mal gegenübergestanden hatte, gerade besonders nah, weil sie sich bereit erklärt hatte, in ihrer Eigenschaft als ehrenamtliche Kunstführerin und Dozentin, einen kurzen Vortrag über das Porträt zu halten; und mir wiederum stand Lady Blessington nah, weil ich in meiner Eigenschaft als Kuppler meiner Frau der Ansicht war, es könnte ein Gewinn für Marius sein, sich Marisas Vortrag anzuhören.
    Es sollte keine aufwändige PowerPoint-Präsentation in einem der großen Vortragssäle des Museums werden, nur eine unterhaltsame Abhandlung vor dem Gemälde selbst, Folge einer Serie, Lernen Sie die Ladys der Sammlung kennen, die das Museum veranstaltete. Das Wort » Ladys« im Titelbezog sich einerseits auf die aristokratische Thematik der Porträts – Madame de Pompadour, Madame du Barry, Lady Hamilton etc. –, implizit aber auch, obwohl Frauen nicht mehr als Ladys bezeichnet werden, auf Marisa und ihre ehrenamtlichen Mitstreiterinnen. Auf dem Prospekt der Galerie, der für diese Serie warb, waren sie zu sehen: die sechs Museumsführerinnen vor dem jeweiligen Porträt der

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