Liebesdienst
geschürzt. Er langweile sich, redete er sich ein. Aber nichts anderes war sexuelles Begehren, Langeweile, die sich im Schlaf umdreht. Egal, wie solche Sachen anfingen, immer gingen sie gleich aus. Sie hatte Boucher erwähnt, was ihn an seinen geliebten Baudelaire erinnerte, Trübsal blasend:
Ich bin ein altes Boudoir, gefüllt mit welken Rosen,
In dem ein Haufen ausrangierter Kleider sich schlummernd kosen,
Ein viel zu trauriges Pastell und dort ein Boucher viel zu abgebleicht
Allein den Duft noch atmen, der aus Flakons, entkorkten, weicht.
Auch Marius war ein altes Boudoir, sein Schädel ein Warenlager allzu vieler Geheimnisse, Gedichte, Liebesbriefe und blonder Locken. Aber was am schlimmsten war, es enthielt das verhängnisvolle Wissen um das, was immer als Nächstes kommt, das unvermeidliche Finale, das schon in der Ouvertüre anklingt.
Er schien mir undankbar. Er hatte kein Mitgefühl verdient. Die Unfähigkeit, sich auf ein erotisches Abenteuer einzulassen, möglicherweise sogar erotisches Glück zu erfahren, wenn es einem angeboten wird, ganz gleich, ob das Angebot einige Unwägbarkeiten mit sich bringt, ist eine besondere Form der Unhöflichkeit, die an Grausamkeit grenzt.
Aber auch ich musste mich auf das einlassen, was mir geboten wurde. SchlieÃlich hatte ich Marius wegen seiner Grausamkeit auserkoren, wegen seiner Fähigkeit, Unruhe zu stiften. Also würde ich ihn auch nicht fallen lassen, wenn er so war, wie er war.
Hat man so einen Mann wie Marius erst mal ausfindig gemacht, lässt man ihn nicht gern wieder ziehen.
Zufällig weià ich, dass Elspeth sich an seine Beine klammerte, nachdem er ihr eröffnet hatte, er werde sich von ihr trennen. Eine grässliche Szene. Eine Frau Mitte sechzig, der Mann noch keine vierzig; sie hätten Mutter und Sohn sein können, nur dass Mütter mit ihren Söhnen nicht so umgehen, auÃer in den brutal pornografischen Romanen von Georges Bataille, von denen ich eine Reihe besitze, in einwandfreiem Zustand, unverkäuflich. Obwohl Marius sie in den ersten gemeinsamen Jahren so innig geliebt hatte, dass er manchmal, wenn sie schlief, aus Angst, jeder Atemzug könne ihr letzter sein (und er der Grund dafür), und weil er sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen konnte, über die Vergänglichkeit ihres reifen Körpers weinte, empfand er, als sie (weil sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorzustellen vermochte) schluchzend seine Beine umschlang, nichts als Abscheu.
»Das Wesen der Erotik ist die Beschmutzung«, heiÃt es bei Bataille, und deswegen sei »nichts deprimierender als die Hässlichkeit einer Frau ⦠weil die Hässlichkeit nicht beschmutzt werden kann.« Das Alter, mit seiner Würdelosigkeit, ebenfalls nicht. Die Eleganz der älteren Frau zu besudeln, indem er sie jedem Akt liebevoller und liebloser Animalität unterwarf, den sein überhitzter Erfindungsgeist sich ausdachte, dafür hatte Marius gelebt. Jetzt gab es nichts mehr zu besudeln und zu beschmutzen, das hatte die Zeit für ihn erledigt.
Ihre Hände waren plump geworden, die Haut an den Fingeransätzen gedunsen, grau, teigig. Ihre Handgelenke hatten sich aufgelöst, der Daumen war eine Verlängerung des Arms. Die Finger, die er früher, vor noch nicht allzu vielen Jahren, mit Gewalt, einen nach dem anderen vom Körper anderer Männer geklaubt hatte, fand er jetzt so abscheulich, dass sie von seinen eigenen Beinen zu klauben seine Kräfte überstieg.
»Es passt nicht zu dir, dich so aufzuführen, Elspeth. So etwas tut man nicht. Nicht in deinem Alter.« Hatte er das wirklich zu ihr gesagt oder nur gedacht? Eine unwichtige Unterscheidung. Man denkt solche Worte nicht in Gegenwart eines Menschen, der einen liebt, ohne dass der Gesichtsausdruck einen verrät.
»In meinem Alter! Was erdreistest du dich!«, rief sie. »Wie oft habe ich dich angefleht: Wenn du mich verlassen willst, dann verlass mich, wenn ich noch nicht zu alt bin, damit ich wenigstens Vorsorge für mich treffen kann. Und jetzt? Sieh mich doch an.«
Sie ansehen? Es wäre das Letzte, zu dem er fähig gewesen wäre.
»Du warst nie jung genug, um Vorsorge für dich zu treffen«, hatte er vielleicht geantwortet, vielleicht auch nicht. »Nicht nach meiner Uhr!«
»Habe ich dir damals nicht gesagt: Wenn du dir nicht sicher bist, dass du mich ewig lieben wirst, verlass mich?«
»Wie hätte
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