Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
Vom Netzwerk:
von Lady Blessington eine Rolle spielten. Ob Andrew ihn auf den Vortrag hinweisen könne. Ohne zu sagen, wer Marisa sei. Ich wolle nicht so verstanden werden, als ob ich ein Publikum für meine Frau erbettelte. Nur ein diskreter Hinweis. Nichts Wichtiges. Aber ich wäre ihm dankbar. Und bitte, kein Wort zu Marisa, wenn er sie das nächste Mal sähe.
    Ich gab ihm den Prospekt für die Vortragsreihe, auf dem auch ein Foto von Marisa war. Wenn Marius sich dazu herabließ, genauer hinzugucken, würde er ihr Gesicht bestimmt wiedererkennen, und das wäre es dann gewesen.
    Vielleicht tat Andrew mir den Gefallen, vielleicht auch nicht. Ich glaube, mein Interesse an Marius kränkte ihn ein bisschen. Man kann nie wissen, wo plötzlich Eifersucht erwächst. Vielleicht bekam Marius den Prospekt zu sehen, vielleicht auch nicht. Was ihn letztlich ins Museum führte, war wohl eher Fügung als freier Wille: ein Tableau der unvermeidlichen Verknüpfung – Marius, der am Manchester Square herumlungert und überlegt, ob er, nach Elspeth, schon wieder bereit ist, sich Gemälde anzuschauen, der sieht, wie Marisa in der Galerie ein und aus geht, eine schärfere Nummer als die übliche Galeriebesucherin, alles an ihr ambivalent, streng und zugleich verführerisch, die kleine Lederaktentasche unter den Arm geklemmt, weil sie das Damenhafte von Handtaschen nicht mag, die Ohrringe Gegenteiliges signalisierend, die Absätze auf den Bürgersteig einstechend, als wäre er Eis unter ihren Füßen, oder als rächte sie sich mit dieser Verletzung am Asphalt, wütend – muss er sich gedacht haben –, so wütend, wie auch er in der Umgebung von Kunst ist, eine Frau, die ein Bild in etwa so betrachtet wie er, widerwillig, nicht schwärmerisch, ganz gleich, welches Vergnügen es ihr bereitet, wie jemand, der aus einer angenehmen Träumerei aufgescheucht wird, der den Maler oder die Malfarbe ablehnt, weil diese so hartnäckig an eine Tür in seinem Herzen pocht, die er lieber verschlossen halten möchte … Marius, der in diesem Moment, so wie es auch mir ergangen war, sein Schicksal erkennt. Er erinnerte sich an Marisa aus dem Käsegeschäft – eine Frau, die man von oben bis unten gemustert hat, so wie Marius sie gemustert hat, vergisst man nicht – und musste sich gefragt haben, in welcher Angelegenheit sie so häufig die Wallace Collection aufsuchte. Das gab den Anstoß, die Galerie zu betreten, sich wieder einmal Bilder anzusehen und dabei zu entdecken, wer sie ist und was sie hier zu tun hat. Sodass er sich hinten, am Rand des Publikums, einfand und begierig ihren Worten lauschte.
    Auch ich stand hinten, wechselte jedoch meine Position, als ich ihn durch den Eingang kommen sah. Es kam mir vor wie eine Wachablösung. Er trat näher, ich trat zurück. Eine Frau vor mir drehte sich um, um nach der Ursache der Unruhe zu schauen, so laut pochte mein Herz.
    Marisas Vortrag war ein Erfolg. Ihre charakteristische Art, nicht absolut präsent zu sein, kam gut an, wenn sie vor Publikum sprach. Sie gab sich keine Mühe zu gefallen. Sie vermittelte den Eindruck, als habe sie sich gründlich in ein Thema vertieft, das mit im Raum und zugleich nicht im Raum war. Genau die richtige Methode, sich Kunst zuzuwenden, wie ich immer fand, als etwas, das sowohl von dieser Zeit als auch nicht von dieser Zeit ist.
    Nach dem Vortrag kamen einige Leute auf sie zu, um sie noch dieses oder jenes zu fragen. Ich hielt mich wie üblich im Hintergrund. Der Mann sollte sich in die öffentlichen Triumphe seiner Frau nicht einmischen. Diesmal jedoch gab es noch einen anderen Grund, mich zurückzuhalten, denn auch Marius wartete darauf, mit ihr zu sprechen. Er ließ anderen den Vortritt. Ich erkannte die Taktik, er wollte als Letzter dran sein. Als er sie schließlich ganz für sich allein hatte, wagte er eine Bemerkung, die Marisa, wie er hoffte, nicht allzu persönlich auffassen würde.
    Â»Ein sehr beeindruckender Akt der Verschleierung«, sagte er und strich sich nervös über seinen Schnurrbart.
    Sie fragte, was er damit meine.
    Â»Ich hatte den Eindruck, jemandem zuzuhören, der wohlwollend über einen Feind spricht und nicht über einen Freund«, führte er aus.
    Â»Ich sehe Lady Blessington nicht als Feind. Warum sollte ich? Lady Blessington kann niemandem mehr schaden.«
    Er verzog seinen Mund langsam zu einem traurigen,

Weitere Kostenlose Bücher