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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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des Gemäldes, ein Gentleman des französischen Hofes, verlangte nach einem Bild seiner Mätresse in einer Gartenlaube, schaukelnd, hoch fliegend und ungehemmt wie ein Vogel. Anstoßen sollte die Schaukel ein Bischof und der Dame unter die Röcke blicken der Gentleman. Warum ein Bischof – niemand weiß es. Wie Marisa sich ausgedrückt hätte: »Die schmutzige religiöse Fantasie der Franzosen ist unergründlich.«
    Möglich, dass die Idee, einen Bischof mit ins Bild zu nehmen, für den Künstler, der zu seiner Zeit als religiöser Allegorienmaler einige Erfolg in Paris feierte, der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ebenso möglich, wie Marius umgekehrt Marisa gegenüber mutmaßte, als sie zusammen das Bild betrachteten: »Dass die Aufforderung, die Dame solle die Beine so hoch werfen, wie es die Komposition oder seine Fantasie erlaube, für ihn inakzeptabel war, Bischof hin oder her.«
    Fragonard, weniger empfindlich, mit einer schnelleren intuitiven Auffassungsgabe und einem gewissen Verständnis dafür gesegnet, warum ein Mann die Geschlechtsteile der Frau, die er liebt, den Blicken so vieler Menschen wie möglich preisgeben möchte, zierte sich nicht und übernahm den Auftrag, fügte einen jungen Voyeur ins Bild – vielleicht um die Erregung des Höflings zu steigern – und malte, was Marisa als den wohl waldigsten Vorwand für die Darstellung einer Vagina bezeichnete.
    So wurde der Koitus zwischen ihnen vollzogen, als Akt rein intellektueller Anstößigkeit, in einem Raum voller Kunstliebhaber, von denen nicht ein einziger merkte, dass etwas Unschickliches geschehen war.
    Außer mir, und ich war nicht einmal dabei.
    *
    Sie tranken Tee – wie ich erfahren, schlussfolgern oder mir später anderweitig zusammenreimen konnte – in dem überdachten Hof, wo Marisa vierzehn Tage zuvor auf ihn gewartet oder auch nicht gewartet hatte. Marius fragte, ob sie ihm, da ihr gemeinsamer Nachmittag so lehrreich gewesen sei, an einem Abend ihrer Wahl Gesellschaft beim Essen leisten würde, damit er noch mehr von ihr lernen könne. Sie sagte, sie sei eine verheiratete Frau. Er fragte, welche Küche sie bevorzuge. Sie sagte, die italienische. Er sagte, seine Lieblingsküche sei die französische. Sie fragte ihn, ob er öfter in Frankreich sei. Er sagte, er reise nur im Kopf. Sie fragte, was dagegen spreche, leibhaftig dorthin zu reisen. Er sagte, er sei eher ein Kopfmensch, so wie er auch eher in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebe. »Je suis un vieux boudoir plein de roses fanées«, sagte er. »Baudelaire«, ergänzte er. »Habe ich mir gedacht«, sagte sie. Deswegen, fuhr er fort, sei es ihm ein Vergnügen – er hielt ihr die ausgestreckten Hände hin, damit Marisa seine Fingerspitzen berührte, worauf sie nicht einging, weil sie verheiratet war –, mit einem lebendigen Menschen in der Gegenwart zu sprechen. Es gäbe zu viele verwelkte Rosen und unter den lebenden zu wenig schöne. Sie lachte ihn aus. Er wurde rot. Sie entschuldigte sich.
    Â»Blumenmetaphorik habe ich noch nie ernst nehmen können«, sagte sie. »Die Nonnen haben mich geschlagen, wenn ich über Wordsworths Drei Jahre wuchs sie heran bei Sonne und Regen gelacht habe – dabei habe ich mich tief über das Pult gebeugt, als ich mir das kleine Mädchen vorstellte, wie es drei Jahre im Regen stand.«
    Â»Nonnen? Waren Sie Novizin?«
    Â»Nicht doch. Aber ich bin mal ein Jahr lang auf eine Klosterschule gegangen. Meine Mutter meinte, ich brauchte eine religiöse Erziehung. Eigentlich hätte sie die religiöse Erziehung nötig gehabt. Sie überließ mich den Händen der Nonnen, damit ich für ihre Sünden büße.«
    Â»Und? Haben Sie gebüßt?«
    Â»Nein. Deswegen büße ich noch heute für sie.«
    Â»Wirklich? Ich dachte, Sie wollten mit mir zu Abend essen.«
    Sie legte ihre Finger zu einer Pyramide zusammen. »Sie sind ein anmaßender Mensch«, sagte sie.
    Â»Für jemanden, mit dem ich noch nie ein Wort gewechselt habe«, sagte er, ihre Worte von neulich wiederholend, »wissen Sie ganz schön viel über mich.«
    Sie lachte und errötete wohl auch etwas darüber, in dieser Weise an seinen Frontalangriff nach ihrem Vortrag über Lady Blessington erinnert zu werden.
    Â»Wissen Sie, was«, sagte sie. »Da Sie sich

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