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Liebesdienst

Liebesdienst

Titel: Liebesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Jacobson
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raschelte. Sie musste blendend aussehen, fand sie. Doch er war nicht da, um sich blenden zu lassen. Sie war eher überrascht als gekränkt. Normalerweise trog ihr Instinkt sie in dieser Hinsicht nicht. Wenn sie damit rechnete, einen Mann zu treffen, dann traf sie ihn auch. »Ich zaubere sie herbei«, witzelte sie in ihrem Tagebuch, das sie liegen gelassen hatte, in der Absicht, vermutlich, dass ich es las. »Andere verbiegen Löffel. Ich zaubere Männer herbei.«
    Es war keine großspurige Angeberei, eher ein Kommentar zur Grausamkeit der Umstände. Herbeizaubern von Männern war ihr Gebrechen.
    In diesem Fall jedoch versagten ihre Zauberkünste. Marius blieb aus.
    Sie versuchte, ihn aus dem Gedächtnis zu tilgen. So wichtig war er ihr nicht. Sie konnte ihn nehmen oder ziehen lassen, je nachdem.
    Den nächsten Vortrag der Reihe ließ sie ausfallen. Rührmichnichtan braucht zwei zum Mitspielen.
    Erst den letzten Vortrag besuchte sie wieder und Marius, bedingt durch die wundervolle Gleichzeitigkeit abseitigen Verlangens, ebenso.
    Ich verpasste ihr Wiedersehen. Ich trieb mich absichtlich – Marisas Absicht – am Manchester Square herum. »Mach heute früher Schluss im Laden«, hatte sie zu mir gesagt. »Warte auf mich. Ich weiß nicht, wie lange es dauert.«
    Sie müssen sich ganz gut verstanden haben, denn anschließend schlenderten sie gemeinsam durch das Museum, Marius, der sich ihrem Sachverstand fügte, und Marisa, die dachte, er möge sich vielleicht gerne die neue Hängung von Fragonards Die Schaukel in dem wieder eingerichteten Oval Room ansehen. Meiner Einschätzung nach haben die beiden mehr Zeit mit der Betrachtung dieses Bildes verbracht, als es einem Mann und einer Frau, die offiziell nicht verlobt sind, erlaubt sein dürfte. Was zwischen ihnen vorgefallen sein muss, das stellt sich – bedenkt man die Szene auf dem Bild, die Hitze ihres Gesprächs – in meiner möglicherweise überreizten Interpretation so dar: In aller Öffentlichkeit und auf Grundlage einer gegenseitigen Bekanntschaft von gerade mal einer Viertelstunde, den an der Käsetheke gewechselten Blick mitgerechnet, erwählten sie Marisas Vagina als Thema ihrer Unterhaltung. Selbst wenn Marius sich vor Marisa hingekniet hätte, den Reißverschluss ihrer Nadelstreifenhose geöffnet, ihr die Unterwäsche heruntergezogen und zur Befriedigung seiner Neugier ihre Genitalien entblößt hätte, er hätte nicht schlimmer gegen den Anstand verstoßen können. Ich werte nicht. Ich beschreibe nur, was vorgefallen ist.
    Schade, dass ich das verpasst habe.
    Dass sie sich dies überhaupt erlauben konnten, ohne einen Skandal zu verursachen, schreibe ich der Bildung zu. Gebildeten Menschen, besonders den in Literatur und Kunst bewanderten, stehen mehr Möglichkeiten zur Verfügung, sich über die Scheide der Frau zu unterhalten, als denjenigen, die mit fünfzehn die Schule verlassen haben. Obwohl sie im Alltag sicher einen anderen Ausdruck dafür benutzen, werden Letztere sagen, eine Vagina sei eben eine Vagina, mehr nicht, und darüber zu reden sei sowieso nicht ihre Sache. So entgeht ihnen zweierlei: erstens, die Aneignung von Wissen, zweitens, Sex in seiner kultiviertesten Form, nämlich das Reden darüber, als unerlässliches Vorspiel zum eigentlichen Akt, will man ihn mit Anmut bestehen. Wobei leider den Ungebildeten Anmut nicht als Wert an sich vermittelt wird.
    Ich bin mir nicht sicher, wie viel Marius über die Umstände der Entstehung von Fragonards Die Schaukel, das ursprünglich Les Hazards Heureux de l’Escarpolette hieß, bekannt war, doch alle Wissenslücken, die Marisa bei ihm entdeckte, wusste sie zu füllen.
    Eigentlich weiß jeder, der im allgemeinen Kunstblabla mithalten kann, wie Fragonard zu dem Auftrag für diese wohl schlüpfrigste Ikone rokokohafter Oberflächlichkeit kam, von Kunstliebhabern so einfältig bewundert, dass sie tausendfach auf Geschirrtüchern und Telleruntersetzern abgedruckt ist. Dabei geht es um die weibliche Scham, um nichts anderes. Ich habe nicht die Absicht, mich an dem Kunstgeschwätz zu beteiligen. Für die Vergesslichen unter uns reicht es, daran zu erinnern, dass man zunächst einen unbedeutenderen Maler als Fragonard gebeten hatte, den Entwurf auszuführen, dieser jedoch mit der Begründung abgelehnt hatte, das Bild sei anstößig. Der Auftraggeber

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