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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Polizistin seufzte. »Ich habe mehrere sehr präzise Beschreibungen des Hundes, aber der Honda-Fahrer wird wahlweise als ›dunkelhaarig‹, ›blond‹, ›groß‹, ›klein‹, ›mager‹, ›dick‹, ›Mitte zwanzig‹ und ›um die fünfzig‹ beschrieben. Niemand hat sich das Autokennzeichen notiert, man sollte meinen, dass zumindest einer das hinkriegen würde.«
    »Das sollte man meinen«, sagte Gloria. »Das sollte man wirklich meinen.«
     
    Sie waren zu spät für die BBC -Radioaufzeichnung. Pam war hocherfreut, dass sie ein Drama statt des Kabaretts erlebt hatten.
    »Und am Donnerstag gehe ich aufs Literaturfestival«, sagte sie. »Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst?« Pam war Fan irgendeines Krimiautors, der auf dem Literaturfestival lesen sollte. Gloria hatte nichts für Kriminalromane übrig. Sie hatten das Leben aus ihrem Vater gesaugt und außerdem: Gab es nicht schon genügend Verbrechen auf der Welt, musste man noch mehr hinzufügen, und seien es fiktive?
    »Das ist nur eine kleine Flucht aus dem Alltag«, sagte Pam kleinlaut.
    Wenn man flüchten wollte, stieg man Glorias Ansicht nach in einen Wagen und fuhr davon. Glorias Lieblingsroman war noch immer ganz entschieden
Anne auf Green Gables,
der in ihrer Jugend eine Lebensweise repräsentiert hatte, die zwar ideal, aber auch jetzt noch nicht vollkommen unmöglich war.
    »Wir könnten irgendwo eine schöne Tasse Tee trinken«, sagte Pam, aber Gloria entschuldigte sich und sagte: »Habe zu Hause was zu erledigen.«
    Pam fragte: »Was denn?«
    »Irgendwas«, sagte Gloria. Sie nahm an der eBay-Auktion eines Paars Staffordshire-Windhunde teil, die in zwei Stunden zu Ende gehen sollte, und sie wollte beim Finish dabei sein.
    »Also wirklich, du bist eine Frau mit Geheimnissen, Gloria.«
    »Nein, bin ich nicht«, sagte Gloria.

4
    B lendendes Licht erhellte plötzlich ein weißes Viereck, so dass die umgebende Dunkelheit noch schwärzer wirkte. Aus verschiedenen Richtungen betraten sechs Personen das Viereck. Sie schritten rasch aus, ihre Wege kreuzten sich, und er dachte an Soldaten, die auf einem Exerzierplatz einen komplizierten Drill vollführten. Einer blieb stehen, schwang die Arme und ließ die Schultern rotieren, als bereitete er sich auf eine anstrengende körperliche Übung vor. Alle sechs begannen Nonsens zu reden. »Unikum New York, Unikum New York, Unikum New York«, sagte ein Mann, und eine Frau antwortete, »Brautkleid bleibt Brautkleid, Blaukraut bleibt Blaukraut«, während sie eine Art Tai-Chi-Übung machte. Der Mann, der die Arme geschwungen hatte, sprach jetzt ins Leere, schnell und ohne Atem zu holen: »Du-schläfst-schlechter-als-wäre-eine-Maus-gezwungen-im-Ohr-einer-Katze-zu-wohnen-ein-kleines-Kind-das-zahnt-sollte-neben-dir-liegen-es-schreit-als-wärest-du-ein-unruhiger-Schläfer.« Eine Frau hielt in ihrem rasenden Gang abrupt inne und verkündete: »Faltige, flaumige Welpen, faltige, flaumige Welpen, faltige, flaumige Welpen.« Es war, als würde man die Insassen eines altmodischen Tollhauses beobachten.
    Ein Mann trat aus der Dunkelheit in das Viereck aus Licht, klatschte in die Hände und sagte: »Okay, wenn ihr mit dem Aufwärmen fertig seid, können wir bitte mit der Probe anfangen?«
    Jackson fragte sich, ob es ein guter Zeitpunkt war, um seine Anwesenheit kundzutun. Die Schauspieler – »die Kompanie« – wollten am Vormittag ein paar technische Einzelheiten klären. Am Nachmittag sollte die Generalprobe stattfinden, und Jackson hatte gehofft, dass er vorher mit Julia Mittag essen könnte, aber die Schauspieler steckten bereits in braunen und grauen Hemden, die wie Kartoffelsäcke aussahen. Bei ihrem Anblick verließ ihn der Mut. Obwohl er es vor ihnen niemals zugeben würde, war der Inbegriff des Theaters für Jackson eher eine gute Pantomime, vorzugsweise in Anwesenheit eines begeisterten Kindes.
    Sie waren gestern angekommen, nachdem sie in London drei Wochen geprobt hatten, und am Vorabend war er ihnen endlich in einer Kneipe vorgestellt worden. Sie waren alle in Verzückung geraten, und eine von ihnen, eine Frau, die älter war als Jackson, war wie ein kleines Kind auf und ab gesprungen, und eine andere (er hatte ihre Namen bereits wieder vergessen) war dramatisch mit zum Gebet gefalteten Händen auf die Knie gesunken und hatte gesagt: »Unser Retter.« Jackson hatte sich innerlich gewunden, er wusste nicht wirklich, wie er mit Schauspielern umgehen sollte, er fühlte sich gesetzt und erwachsen in

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