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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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wahrscheinlich niemand lebend raus. Ein Stück weiter an der Straße hatte es vor ein paar Jahren lichterloh gebrannt, und Jackson fand die Idee gut – die Pest, gefolgt von einem reinigenden Feuer. Er hatte ein lethargisches Mädchen an einem Kartenschalter gefragt, ob sie die Brandschutzbestimmungen einhielten, und wenn ja, ob er die Bescheinigung sehen könne, und sie hatte ihn angestarrt, als wäre ihm vor ihren Augen gerade ein zweiter Kopf gewachsen.
    Jackson mochte es, wenn man etwas richtig machte. In seinem Haus in Frankreich lag eine Mappe mit der Beschriftung »Was zu tun ist, wenn ich sterbe«, und darin befanden sich alle Informationen, die nötig waren, um seine Angelegenheiten abzuwickeln – Name und Adresse seines Steuerberaters und seines Anwalts, eine Vollmacht für ebendiesen Anwalt (für den Fall, dass er gaga wurde, bevor er starb), sein Testament, eine Versicherungspolice, seine Bankunterlagen … Er war ziemlich sicher, dass er alles bedacht, alles geregelt hatte, denn im Grunde seines Herzens war er noch immer Soldat. Jackson war siebenundvierzig und gesund, aber er hatte eine Menge Leute sterben sehen, als sie es nicht vorgehabt hatten, und er hatte keinen Grund anzunehmen, dass es ihm nicht auch so ergehen könnte. Es gab Dinge, die man kontrollieren konnte, und andere, die unmöglich zu kontrollieren waren. Den Papierkram, so hieß es, konnte man kontrollieren.
    Jackson war Exsoldat, Expolizist und Exprivatdetektiv. Ex alles, außer in Bezug auf Julia. Er hatte seine Detektei verkauft und sich überstürzt und unerwartet aus der Arbeitswelt zurückgezogen, als er von einer Mandantin Geld erbte, von einer alten Frau namens Binky Rain. Es war eine ernst zu nehmende Summe Geld – zwei Millionen –, mehr als genug, um etwas für seine Tochter zurückzulegen und in Frankreich ein Haus am Fuß der Pyrenäen zu kaufen, samt Bach mit Forellen, einem Obstgarten und einer Wiese und zwei Eseln dazu. Seine Tochter Marlee war jetzt zehn und kam in ein Alter, in dem sie die Esel ihm vorzog. In Frankreich zu leben war sein Traum gewesen, und jetzt war es seine Wirklichkeit. Der Unterschied dazwischen hatte ihn überrascht.
    Julia behauptete, dass zwei Millionen nicht wirklich viel waren, zwei Millionen waren »kaum« eine Wohnung in London oder New York. »Ein Learjet kostet dich fünfundzwanzig Millionen«, sagte sie leichthin, »und von fünf Millionen kriegst du nicht viel Wechselgeld zurück, wenn du dir heutzutage eine gute Yacht kaufst.« Julia hatte nie Geld, sie tat aber immer so, als hätte sie welches
(Das ist der Trick, Liebster).
Soweit er wusste, hatte sie noch nie eine Yacht für fünf Millionen Pfund gesehen, geschweige denn betreten. Jackson andererseits hatte Geld und tat so, als hätte er keins. Er trug dieselbe alte verbeulte Lederjacke wie zuvor, dieselben zuverlässigen Stiefel. Sein Haar war noch immer schlecht geschnitten, und er war nach wie vor ein Pessimist.
Alle anderen leben in ärmlichen Verhältnissen, und ich soll im Luxus wohnen? Das finde ich nicht richtig, Liebster, du etwa?
Nein, er auch nicht.
    »Mensch, wenn man wollte, könnte man zwei Millionen an einem Tag ausgeben«, hatte Julia gesagt. Sie hatte natürlich recht, die zwei Millionen zu erben war wie ein Lottogewinn gewesen (
Arme-Leute-Geld,
hatte Julia es genannt). Wirkliches Geld war altes Geld, die Art Geld, die man nicht durchbringen konnte, sosehr man sich auch bemühte. Es wurde von Generation zu Generation weitergegeben und
gehortet
. Es stammte daher, dass man die Felder seiner Bauern eingezäunt hatte, dass man sofort zu Beginn der industriellen Revolution eingestiegen war und Sklaven gekauft hatte, die einem das Zuckerrohr ernteten. Den Leuten mit wirklichem Geld gehörte die Welt.
    »Und das sind die Leute, die wir nicht mögen«, sagte Julia. »Die Feinde der sozialistischen Zukunft. Die an der nächsten Ecke auf uns wartet, ist es nicht so, Schatz? Und so wird es auch bleiben, in alle Ewigkeit, Amen – Gott bewahre, dass uns jemals so etwas wie eine prälapsarische Utopie auf der Welt gelingen sollte, denn dann müssten wir unser Leben leben, statt uns darüber zu beklagen.«
    Jackson sah sie zweifelnd an. Er konnte sich nicht erinnnern, das Wort »prälapsarisch« je zuvor gehört zu haben, doch er wollte nicht fragen, was es bedeutete. Es war noch nicht lange her, dass er sie hatte lesen können wie ein Buch, jetzt verstand er sie manchmal überhaupt nicht mehr.
    »Gewöhn dich dran,

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