Liebesfilmriss
Verschlüsse von den Breezer-Flaschen. Die ganze Woche hatte sie gehört, wie sich alle zwischen Vorlesungen und Tutorstunden über die Kostümparty von Alex und Karen unterhalten und überlegt hatten, was sie anziehen sollten. Abgesehen von ihr und Rupert, der erklärt hatte, er würde lieber seine Eingeweide durch einen Fleischwolf drehen als daran teilzunehmen, gingen alle zu der Party.
Jem fing an, Blackthorn-Apfelwein in Gläser zu zapfen. Das vertraute Gefühl der Verlassenheit machte sich wieder in ihrem Bauch breit. Am frühen Abend hatte Rupert mit ihr geschlafen, und sie war sich wie die wunderbarste, glücklichste Frau von ganz Bristol vorgekommen. Danach hatte er geduscht und sich umgezogen und war nach Cheltenham gefahren, zur Junggesellenparty des Bruders eines alten Schulfreundes. Er hatte sie geistesabwesend zum Abschied geküsst und ihr gesagt, er würde irgendwann am nächsten Tag wiederkommen.
Déjà-vu. Erst Schottland, dann Rom und jetzt das. Mist.
Die Gruppe, die nicht weit von der Theke entfernt stand, lachte auf. Unwillkürlich blickte Jem von der Apfelwein-Pumpe auf und sah Davy und Lucy, die wie New Yorker Gangster aus den zwanziger Jahren gekleidet waren, in feinem Zwirn und Filzhüten. Früher einmal war Davy derjenige gewesen, den man ignoriert hatte, der dämliche Außenseiter. Unglaublicherweise war Lucy jetzt bei ihm eingezogen und zog ihn allmählich am Hals aus seiner Schale. Sie wohnten bei Davys Mutter – wie armselig war das denn? –, und doch schienen sie sich großartig zu amüsieren. Davy wurde von immer mehr Leuten akzeptiert. Irgendwie galt er nicht länger als Geächteter am Spielfeldrand. Die Freundschaft mit Lucy hatte ihn cool gemacht. Jem musste zugeben, dass er an diesem Abend gut aussah; der Gangsteranzug stand ihm. Und es verstand sich von selbst, dass Lucy immer spektakulär aussah, egal was sie trug.
Keiner von beiden schaute auch nur in ihre Richtung. Auch was die anderen anging, hätte sie genauso gut unsichtbar sein können. Bäh, jetzt tropfte auch noch der Apfelwein auf ihre Jeans.
»Letzte Runde«, rief der Wirt und stellte die Uhr auf zehn vor elf.
Jem deponierte die Gläser mit Weißwein und Apfelwein sowie die Breezer-Flaschen auf die Theke, dann nahm sie die Kreditkarte von Spiderman und steckte sie in das Ablesegerät.
»Du hast also bald Feierabend«, sagte Darren fröhlich, seine Gesichtsmaske auf die Stirn geschoben.
»Sobald alle gegangen sind.«
»Kommst du dann zur Party?«
War es Jems Einbildung, oder wurde es in der Kneipe auf einen Schlag ein paar Dezibel leiser? Entweder war gerade Clint Eastwood eingetreten oder Spiderman hatte das Falsche gesagt.
Sie schüttelte den Kopf. »Äh, nein.«
Darren, der nicht der Hellste war, bemerkte seinen Faux pas nicht. »Warum denn nicht?«
Weil mich niemand dort haben will. Alle hassen mich, ist dir das noch nicht aufgefallen? Jem sagte das nicht laut. Sie schob das Kreditkartenlesegerät über die Theke und sagte: »Alles in Ordnung, gib bitte deine PIN ein.«
»Aber das ist doch dumm, wenn du sonst nichts vorhast! He, Alex.« Darren drehte sich um und packte Alex an der Schulter. »Ich habe Jem gerade gesagt, sie solle doch zur Party kommen.«
Jem wurde heiß. Ihr war übel. Alex wirkte peinlich berührt, während der Rest der Gruppe sich mit den Ellbogen anstieß, breit grinste und die Situation genoss.
»Äh … die Sache ist die … es ist eine Kostümparty«, murmelte Alex.
»Und ich muss nach Hause«, platzte es aus Jem heraus. Sie war sich bewusst, dass Davy und Lucy aus sicherer Entfernung zusahen und sich köstlich amüsierten. »Aber … äh … trotzdem danke.«
Danke, dass du mich nicht zu deiner Party eingeladen hast, Alex. Und danke, Darren, dass du so erfolgreich jedermanns Aufmerksamkeit auf diese Tatsache gelenkt hast.
Wahrscheinlich stand es morgen auf der Titelseite der
Evening Post
.
Ceris Morgan, die Jem noch nie hatte leiden können und die zweifellos auf Rupert stand, war als französische Kammerzofe verkleidet. Sie konnte nicht widerstehen, rückte ihr unanständig tief ausgeschnittenes Oberteil zurecht und flötete mit Singsangstimme: »Wir sind nicht reich genug. Jem hat kein Interesse mehr an Partys mit langweiligen Normalos wie uns. Sie hat ja Rupert.«
Hexe. Jem war sehr versucht, Ceris zu sagen, dass sie womöglich auch eine Chance bei Rupert haben könnte, wenn sie nur keine so fetten Knöchel und kein so dämliches Pferdegesicht ihr eigen nennen
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