Liebesfluch
an, als wäre das ein großartiges Geschenk.
Papa, denke ich und irgendwie sticht es in meiner Brust. Papa.
Mein Blick kreuzt sich mit dem von Stefan, er zieht fragend die Augenbrauen hoch, aber ich kann nichts sagen.
Blue merkt plötzlich, dass hier irgendwas anders läuft, als sie gedacht hat, und hört auf zu lachen.
Ich muss rausgehen und darüber nachdenken.
Papa.
Ich bin achtzehn Jahre alt und hatte nie einen.
28. Zwei Wochen später …
Seit zwei Wochen versuchen Ju, Felix und ich herauszufinden, was Georg in seinem kryptischen Brief andeuten wollte. Denn leider war meine Idee mit Kalifornien und dem heißen Ofen genau das – ein Schuss in den Ofen. Felix hat dort mehrfach alles gründlich abgesucht und nach Hohlräumen abgeklopft, aber nichts gefunden.
Das Problem ist, dass wir nicht wirklich viel Zeit zum Suchen übrig haben, weil Stefan entweder bei Anja in der Klinik oder bei der Arbeit ist und Ju und ich zusammen auf die Zwillinge aufpassen, denen es prächtig geht.
Anja ist in die geschlossene Psychiatrie verlegt worden, nachdem man in dem Grießbrei eine unglaublich hohe Konzentration von L-Thyroxin gefunden hat. Das ist ein Schilddrüsenhormon, was auch meine Symptome verursacht hatte. Außerdem hat Stefan noch mal mit Anjas Hausarzt in Seebick Kontakt aufgenommen. Bei ihm war sie nicht mehr erschienen, nachdem er ihr keine Schlaftabletten und Hustendämpfer mehr verschreiben wollte, sondern eine psychologische Beratung vorgeschlagen hatte.
Stefan hat dann in einer Fotokiste unter Anjas Bett trotzdem Schlaftabletten gefunden und gigantische Mengen frei verkäuflicher Allergiemedikamente, die überdosiert nicht nur müde machen, sondern auch Muskelkrämpfe, Magen-Darm-Störungen und Atemlähmungen hervorrufen können. Außerdem gab es mehrere Schachteln Lariam, ein Malariamittel, das unglaublich viele Nebenwirkungen hat, Babys auf keinen Fall verabreicht werden darf und sogar Halluzinationen auslösen kann.
Stefan hat mit mir und Ju unheimlich lange Gespräche geführt und zugegeben, dass er schon länger den Verdacht hatte, dass es bei den Krankheiten seiner Kinder nicht mit rechten Dingen zugehe. Aber er hat vermutet, Anja würde sich die Krankheiten der Kleinen nur einbilden, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und ihn dazu zu zwingen, sich mehr um sie und die Kinder zu kümmern.
Ju ist vor über einer Woche zu uns ins Haus gezogen. Er hat gerade Semesterferien und wird den ganzen Sommer über hierbleiben. Im Herbst fängt sein zweites Semester an und er will versuchen, die Uni zu wechseln und einen Studienplatz in Heidelberg zu bekommen. Er gibt sich wirklich große Mühe, einen Draht zu seinem Vater zu finden, aber die beiden brauchen einfach noch viel Zeit. Würde mir wahrscheinlich nicht anders gehen, wenn ich auf einmal mit meinem Daddy klarkommen müsste.
Vicky war total geschockt, als ich endlich ausführlich mit ihr chatten konnte. Und wenn ich ihr nicht den blauen Fleck an meinem Hals gezeigt hätte, würde sie immer noch an meiner Geschichte zweifeln.
Sie erzählt ständig davon, wie mega-très-chic es in Paris wäre, aber um Ju beneidet sie mich glühend. Als ich ihr Fotos von ihm geschickt habe, fand sie, dass kein einziger Franzose mit ihm mithalten könne. Und ich habe genau gemerkt, wie sehr es sie gewurmt hat, dass ich im hinterletzten Kaff der Erde so einen Typen kennenlerne – mit dem ich nun auch noch unter einem Dach wohne – und sie nach zwei Monaten noch nicht mal auch nur einen kleinen Flirt hatte. Typisch Vicky!
Grannie habe ich nur eine kurze Mail geschickt, um sie zu beruhigen und ohne dabei ins Detail zu gehen. Ich habe ihr lediglich gesagt, dass die Gefahr gebannt sei. Und sie hat mir zurückgemailt, dass sie daraufhin wieder Karten für mich gezogen hätte. Ganz wundervolle Karten: die Liebenden und den Stern.
Ich frage mich, welche Karten sie zöge, wenn sie nach Georgs Schicksal fragen würde, und wünsche mir, dass wir es schaffen, noch mehr über ihn herauszufinden.
Heute sind Ju und ich mal wieder durch die brütende Hitze mit den Zwillingen zu Felix hinüberspaziert. Seine Oma ist in die Stadt gefahren, denn am Mittwochnachmittag hat die Bäckerei immer geschlossen.
Wir haben in den vergangenen Wochen Georgs sämtliche Schallplatten noch einmal auf Hinweise durchkämmt. Dabei haben sich Ju und Felix tatsächlich angefreundet und ich musste mir hundertmal all dieses ziemlich traurige Zeug aus den Sechzigerjahren anhören und ihre
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