Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
Vom Netzwerk:
das nächste Beispiel, ein alter Portugiese, war dermaßen beispielhaft, dass wir vergaßen, in welcher Angelegenheit wir überhaupt hierhergekommen waren. »Ihr müsst ihn nicht austrinken«, sagte der Weinkellerchef jedes Mal zu uns, aber wir hörten ihm nicht zu.
    »Und wie kommt es, dass ein Russe sich mit Weinkultur befasst?«, fragten mich die beiden. »Ein Russe muss doch Wodka trinken.«
    Ich nickte. Es stimmte schon, die Mehrheit meiner Landsleute bevorzugte starke Getränke, die nicht genossen, sondern gekippt werden mussten. Deswegen fiel es mir schwer, einen Wein auf Russisch zu beschreiben. Das notwendige Vokabular dazu fand sich oft nicht. Gerade vor Kurzem überlegte ich, wie man zum Beispiel »leicht im Abgang« ins Russische übersetzen könnte. Ich rief sogar einige Sprachkenner an, doch trotz intensiven Nachdenkens ist uns nichts dazu eingefallen. Man kann so etwas anscheinend auf Russisch nicht sagen, weil in Russland eben nichts leicht im Abgang ist. Die Flüssigkeiten, die
man dort zu sich nimmt, sind in der Regel hart im Eingang und schnell im Ausgang, verzeihen Sie die platte Formulierung. Man muss sich anstrengen, um diese Flüssigkeiten im Magen zu behalten. Merkwürdigerweise finden auch viele Deutsche das Wodkatrinken romantisch.
    »Ich habe das letzte Mal in Tula eine Wodkaflasche in Form einer Kalaschnikow bekommen. Eine Hammerflasche ! Ich wollte sie unbedingt nach Villingen-Schwenningen bringen, aber sie ist mir am Flughafen bei der Passkontrolle zerplatzt«, erzählte der Kulturamtsleiter.
    »Was haben Sie in Tula gemacht?«, wunderte ich mich und erfuhr, dass Villingen-Schwenningen und Tula Partnerstädte sind. Sie unterstützen einander nach Kräften. Die Deutschen haben zum Beispiel in Tula eine Sparkasse mitgegründet, um den Russen beizubringen, wie man richtig mit Geld umgeht. Sie haben ein Orchester zum Jahrestag des Kriegsendes dort spielen lassen und eine gemeinsame Ausstellung von deutschen und russischen Kunststudenten organisiert, die allerdings wegen allzu frivoler Inhalte in Tula der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wurde. Jedes Mal, wenn die Stadtväter von Tula nach Villingen-Schwenningen fahren, bringen sie als Geschenk einen Tula-Prjanik mit, einen Riesenlebkuchen, für den die Stadt Tula berühmt ist. Früher konnte eine ganze Familie mit einem einzigen Lebkuchen gut über den Winter kommen, heute beanspruchen die Lebkuchen die Hälfte der Räume des Kulturamtes Villingen-Schwenningen.
    Wenn die Deutschen nach Tula fahren, wollen auch sie
nicht mit leeren Händen kommen. Sie bringen immer eine Kleinigkeit zum Naschen mit, und das letzte Mal wurde dem Bürgermeister von Tula feierlich ein Karton mit Schwarzwaldschinken überreicht. Der Bürgermeister von Tula bedankte sich, öffnete die Packung und schob jedem seiner Stellvertreter und Mitarbeiter eine Scheibe Schinken in den Mund. Danach holte er die Kalaschnikow-Flasche unter dem Tisch hervor und füllte jedem ein Glas mit dem Zeug, das hart im Abgang ist, oder, wie die Russen sagen, hart, aber fair.

Deutsche Botschaft
    In meinem Bekanntenkreis haben viele eine kritische Haltung gegenüber Deutschland. Man hört kaum mal ein gutes Wort über die landestypischen Sitten und Gebräuche. Wie jede wohlhabende Gesellschaft ist Deutschland sehr ängstlich. Überall sieht man Überwachungskameras, Terroristenfahndungsplakate und Verbotsschilder. Jede Gurke wird eingezäunt, registriert und sieht auch noch wie eine Handgranate aus. Besonders groß ist die Angst vor Fremden. Man vermutet hierzulande sofort, dass sie den Deutschen ihre letzten Arbeitsplätze klauen, ihnen die Löhne versauen und was weiß ich welche Schätze wegnehmen.
    Wenn deutsche Bürger im nicht so wohlhabenden Ausland heiraten wollen, müssen sie ihrem Staat erst einmal ausführlich Rede und Antwort stehen: Warum sie einen ihrer eigenen Landsleute verschmähen, sich auf dem internationalen Parkett blamieren wollen und fremdheiraten gehen. Sehr oft sträubt sich der Staat gegen diese Absicht und versucht, seine Bürger zur Vernunft und von einer Hochzeit im Ausland abzubringen. Ein guter Freund von mir versucht seit weit über einem Jahr, seine weißrussische Freundin zu heiraten. Die deutsche Botschaft
in Minsk hat eigentlich nichts dagegen, sie will nur, dass der Vorgang ordentlich abgewickelt wird. Zuerst musste er die deutsche Botschaft in Minsk über die Reinheit seiner Gefühle aufklären und von der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens

Weitere Kostenlose Bücher