Liebesgruesse aus Deutschland
wäre Deutschland ein Land der Starken und Klugen. Zum Arbeiten kann man ja immer noch andere Dumme aus dem Ausland holen und, wenn die Zeit reif ist, nach einem Gentest wieder rausmobben.
Es wurden nicht nur in Deutschland immer wieder Versuche unternommen, die Schwachen von den Starken zu trennen, die Richtigen von den Falschen, die Guten von den Bösen. Doch alle diese Versuche scheiterten. Immer gingen mit den Schwachen auch die Starken drauf. Ein Rätsel. Anscheinend sind die Schwachen und die Starken auf verhängnisvolle Weise voneinander abhängig. Kaum werden die Schwachen beseitigt, fangen schon die ersten Starken an zu schwächeln und neue Schwache aus ihren Reihen auszustoßen. Es gibt für niemanden eine individuelle Rettung auf diesem Planeten, selbst für den Vorstand der Bundesbank nicht. Entweder alle oder keiner. Bis ans Ende aller Tage werden die Schwachen und die Starken aneinandergekettet weitergehen. Trotzdem haben die Spalter und falschen Ratgeber oft großen Erfolg. Dafür landen sie bei Dante im achten Kreis der Hölle mitsamt allen Fälschern und Verrätern. Es soll dort die ganze Zeit sehr düster und kalt sein, sie frieren im Eis, und keiner reicht dem anderen die Hand.
Villingen liest Schwenningen vor
Der Bahnhof sah unbewohnt aus, nur zwei Güterzüge standen auf den Gleisen, in einem lag Holz, der andere war leer. Es war also amtlich, ich hatte den falschen Bahnhof erwischt.
»Wie weit ist noch mal der Bahnhof von der Hoteltür aus gesehen?«, hatte ich an der Rezeption des Hotels gefragt – gleich dreimal hintereinander, zur Sicherheit.
»Zweihundert Meter nach rechts«, lautete die Antwort.
Ich hatte mir eine gute Verbindung im Internet ausgesucht, aber das nutzte mir nichts. Ich konnte Villingen-Schwenningen nicht verlassen, denn die Reiseverbindung, die ich im Internet ausgesucht hatte, ging vom Bahnhof Schwenningen, das Hotel befand sich aber neben dem Bahnhof Villingen. Oder umgekehrt. Mir sind diese Ortsteile sowieso ständig durcheinandergegangen. Dabei hatte die Reise so gut angefangen. Im Rahmen eines anspruchsvollen Programms »Villingen liest Schwenningen vor« (oder so ähnlich) landete ich in dieser wunderbar übersichtlichen Stadt, die so selbstverständlich zwischen Feldern und Wäldern liegt, als hätte sie der liebe Gott höchstpersönlich erschaffen, mit allem, was dazugehört: einem
Inder, zwei Chinesen, einer Aldi-Filiale, dem Café Wau und der Schwimmhalle »Neckarbad«.
Nach der Lesung geriet ich allerdings beim Essen mit dem Leiter des Kulturamtes aneinander bei der Frage, ob es einen deutschen Rotwein mit »Eiern« gab. Eine Karaffe jagte die nächste. Das Kulturamt pries die badischen Weinerzeugnisse, ich zweifelte an deren Qualität. Und natürlich konnten wir nicht schlafen gehen, bevor diese Frage nicht endgültig geklärt war. Also pendelten wir zwischen Villingen und Schwenningen und kosteten mal hier und mal da. In dem einen Restaurant waren die Kellner zwar patriotisch gestimmt, aber der Wein, den sie servierten, war deutlich nicht maskulin genug, zu dünn und unpersönlich. In dem anderen Restaurant waren die Weine zwar anspruchsvoll, aber die italienische Bedienung stellte sich sofort auf meine Seite und meinte, die Deutschen sollten sich lieber auf Weißweine konzentrieren, statt mit ihren Roten die Welt zum Lachen zu bringen. Unsere letzte Station war ein Weinkeller, der Geheimtipp des Kulturamtsleiters. Der Chef des Ladens, ein Weinwissenschaftler, sollte über unsere Wette entscheiden. Er grübelte ein wenig, stieg sehr tief in seinen Weinkeller und holte einen deutschen Wein, den ich nicht kannte, herauf.
»Ihr müsst ihn nicht austrinken, wenn er euch nicht gefällt. Das mache ich dann selber«, sagte der Weinwissenschaftler, während er die Flasche entkorkte.
Der Wein, ich gebe es zu, hatte »Eier«.
»Es geht momentan nicht um die Sonne«, klärte uns der Weinwissenschaftler auf, »es geht nicht einmal um das Alter
der Rebe oder handwerkliches Können. Es geht allein um die Gier der Winzer, wie viele Trauben sie wachsen lassen und wie viele sie wegschneiden. Je weniger Trauben auf einer Rebe reifen, desto dicker, geschmackvoller und teurer wird der Wein.« An dieser Stelle unterbrach er seinen Monolog, stieg noch ein Stück tiefer in den Keller und holte einen galanten maskulinen Franzosen nach oben. »Hier nur ein Beispiel. Ihr müsst ihn nicht austrinken, das mache ich dann schon«, murmelte er. Sein Beispiel war eine Bombe. Aber
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