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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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die Taxifahrerinnen von Rostock, in gewisser Weise ein Markenzeichen dieser Stadt. Wenn es in Frankfurt die Pakistanis sind, in München die Türken und in Berlin die Geisteswissenschaftler, so sind in Rostock die besten Taxifahrer die Frauen mit Beton-Dauerwelle. Mit einer von ihnen bin ich dann auch gefahren. Ich schaute aus dem Fenster, die Sonne schien, und die Luft roch nach Meer.
    »Schade eigentlich«, sagte ich, »dass Rostock, eine solch liebenswerte Stadt, sein fremdenfeindliches Image noch immer nicht losgeworden ist, obwohl das Ganze schon so lange zurückliegt. Aber jedes Mal, wenn die Medien in
Deutschland über Ausländerfeindlichkeit berichten, wird an die ›Brände von Rostock‹ erinnert.«
    »Sie meinen Rostock-Lichtenhagen?«, fragte die Taxifahrerin. Damals vor fünfzehn Jahren hatte ein aufgebrachter Mob ein Asylantenheim in der Nähe von Rostock umstellt und mehrere Tage lang versucht, die sich darin aufhaltenden Vietnamesen samt einem ZDF-Fernsehteam zu grillen. Sie hatten aber Angst, zu nahe an das Haus zu kommen, warfen Steine und Molotow-Cocktails und lieferten dem Fernsehen erschütternde Bilder. Man konnte mit Recht sagen, es war der dämlichste Ausländerüberfall in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
    »Das war nicht gut«, bestätigte die Taxifahrerin. »Und nachher hatten wir noch mehr Ausländer als zuvor.«
    »Das ist doch Quatsch«, entgegnete ich, »welcher Ausländer würde schon nach Rostock ziehen wollen, nur einer mit einem Knall. Es sind nie viele Ausländer hier gewesen, damals nicht und heute nicht. Schauen Sie aus dem Fenster, ich sehe keinen einzigen.«
    »Natürlich können Sie sie nicht sehen«, sagte die Fahrerin, »tagsüber lassen sie sich nicht auf der Straße blicken, aber nachts kommen sie raus und haben die ganze Stadt längst unter sich aufgeteilt. Unten am Hafen sind die Vietnamesen die Bosse, oben die Türken, und hier im Zentrum sind es die Weißrussen.«
    Das kam so überraschend, dass ich beinahe aus dem Auto gefallen wäre. »Die Weißrussen? Wie kommen Sie denn darauf? Wie erkennen Sie denn Weißrussen? Strahlen sie weiß?«

    »Keine Ahnung, sie sagen, sie wären Russlanddeutsche, aber jeder hier weiß, es sind Weißrussen«, erklärte mir die Taxifahrerin.
    Abends machte ich mir eine Notiz: »Taxifahrerinnen in Rostock können Weißrussen aus der Ferne erkennen.«
    Vielleicht mache ich eines Tages einen Weißrussen-Roman daraus.

Deutsche Ordnung
    Beinahe alle Ausländer loben hierzulande, wenn schon nichts anderes, dann zumindest die deutsche Ordnung. Nur die Deutschen selbst bemerken sie nicht (mehr). Das Große sieht man eben am besten aus der Distanz. Man muss weit wegfahren, um diese Ordnung vor Augen geführt zu bekommen. Ich wurde das letzte Mal in Moskau von einer Verkäuferin in einem Spielzeugwarenladen über Deutschland aufgeklärt. Ich war in einer privaten Angelegenheit dorthin gegangen, ich wollte ein kleines Geschenk für meinen Neffen kaufen. Er hatte sich ganz unspektakulär ein Feuerwehrfahrzeug zum Geburtstag gewünscht, ein rotes, versteht sich. Die junge Verkäuferin tackerte mir dieses rote Feuerwehrfahrzeug in buntes Geschenkpapier ein, wobei ihr der Tacker buchstäblich in der Hand auseinanderfiel.
    »Verdammter Mist«, schimpfte sie. »Schon der zweite heute. Diese Scheißchinesen!«
    Früher, erzählte sie, hatten sie in diesem Geschäft nur Tacker aus Deutschland, aus richtigem Kruppstahl. Die gingen nie kaputt. Man konnte mit ihnen Nägel in die Wand schießen und Mäntel kürzen, man konnte mit ihnen
sogar komplizierte Frisuren zurechttackern, diese Geräte waren so sicher und robust wie ein Mercedes. Leider waren die Wundertacker aus Deutschland für die Leitung des Spielzeugladens zu teuer. Außerdem wurden sie angeblich gerne vom Personal für private Zwecke missbraucht, oft sogar mit nach Hause genommen. Deswegen beschloss die Chefetage, auf weniger robuste, aber preiswertere chinesische Geräte umzusteigen. Die Tacker aus Deutschland hatten aber einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen und für große Achtung vor dem Herstellerland gesorgt.
    »Die Deutschen machen alles perfekt«, gab die Verkäuferin an. »Sie sind für mich die Besten, die besseren Menschen !«
    Ich lächelte verlegen über ihre Worte, schaute an die Decke und verschwieg aus falscher Bescheidenheit, dass ich selbst aus Deutschland war und daher genau wusste, was sie meinte.
    »Die Deutschen bauen zum Beispiel diese Porsche«, schwärmte die

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