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Liebesgruesse aus Deutschland

Liebesgruesse aus Deutschland

Titel: Liebesgruesse aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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jetzt Räumlichkeiten angemietet, um das kulturelle Leben in der Region etwas anzukurbeln.«
    Es hat mich leicht irritiert, dass Lemgo nicht afrikanisch, sondern ostwestfälisch war, für einen Rückzieher war es jedoch zu spät. Zwei Wochen später löste ich eine Fahrkarte nach Bielefeld, um von da aus weiter mit der Regionalbahn nach Lemgo zu pendeln. Wie die Stadt zu ihrem exotischen Namen gekommen war, konnte ich nicht erfahren. Ich glaube, früher hieß Lemgo einfach Lemga, bis ein Beamter aus Scherz die Stadt umbenannte.
    Schon im Vorfeld der Reise, als ich den Termin für die Lesung in Lemgo auf meine Internetseite setzte, bekam ich Unterstützung von Kollegen aus Berliner Kulturkreisen. Entweder kamen sie aus Lemgo, hatten einmal in der Nähe von Lemgo gewohnt, waren schon einmal in Lemgo umgestiegen, oder sie hatten jemanden aus Lemgo geheiratet. Ich erfuhr unter anderem, dass auch der letzte deutsche Bundeskanzler aus Lemgo stammte bzw. irgendwo dort um die Ecke wohnte und in Lemgo seine für das Bundeskanzlersein notwendige Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann im dortigen Eisenwarengeschäft absolviert hatte.
    Am Bahnhof angekommen rief ich die Veranstalter an, da es dort aufgrund der Größe der Stadt keine Taxis gab.
»Ich bin gleich da«, sagte der Veranstalter, und zwanzig Sekunden später hielt sein Bus vor dem Bahnhofsgebäude. Ich hatte schon früher bemerkt: Je kleiner eine Stadt, desto größere Autos fahren ihre Bewohner. Doch vielleicht brauchte mein Veranstalter den Bus tatsächlich, um etwas größere Kulturgüter zu transportieren, Rockbands oder Tanzkollektive z.B. Er war auch selbst ein großer Mann und spielte in der Stadt eine wichtige Rolle. Sein Kulturprojekt überlebte in erster Linie damit, dass er die Räume an den Wochentagen preiswert seinen Mitmenschen für private Feiern, Geburtstage und Hochzeiten vermietete. Die Restaurants in Lemgo, die einen solchen Service anboten, waren alle pleitegegangen. Sie waren zu teuer und erlaubten den Besuchern außerdem nicht, ihr mitgebrachtes Essen zu vertilgen. Die Westfalen mögen kein Schickimicki, sie stehen auf Hausmannskost. Am liebsten essen sie aus verwandter Hand, also das, was ihre Mutti, Schwester, Frau oder Geliebte gekocht hat. Deswegen gehen alle Restaurants, die vom Wurst- und Bratkartoffel-Konzept abweichen, in der Gegend ein. Aber feiern tun die Westfalen trotz ihrer kleinen Macken sehr gerne. Und diese Marktlücke hat mein Veranstalter ausgenutzt.
    Den Anschluss an die Tourismusbranche hat Lemgo noch nicht wirklich gefunden. Um Touristen wird in Deutschland immer härter gekämpft, deswegen sind sie sehr anspruchsvoll und fahren nicht einfach irgendwo hin, nur um eine Kirche zu bestaunen. Sie werden von deutschen Stadtverwaltungen mit so einmaligen Skurrilitäten und Wundern angelockt wie einem ganzjährigen Weihnachtsmarkt
in Rothenburg ob der Tauber, den heiligen Reliquien des Bonifatius in Fulda oder mit dem Brunnen der ewig währenden Jugend in Rostock. Die Lemgoer haben in diesem Reigen zwei Trümpfe, mit denen sie die Touristen schlagen könnten: die Hexenverbrennungen im 15./16. Jahrhundert und das berühmte Schlitzhaus der Liebe.
    Bei den Hexenverbrennungen zu Beginn der Neuzeit soll Lemgo angeblich Marktführer gewesen sein. Die Wände des mittelalterlichen Holzhotels Palais schmücken noch immer unzählige Lithographien, auf denen ältere Männer mit Bärten nachdenklich in die Ferne schauen, während hinter ihrem Rücken die Frauen verglühen. Es musste irgendwo in der Stadt auch noch ein Hexenmuseum geben, doch es schien mir keine besonders ernstzunehmende Touristenattraktion zu sein. Den Gesetzen der Branche folgend, hätten die Lemgoer die Tradition aufnehmen und im Sommer Open-Air-Hexenverbrennungslichtspiele vor dem Rathaus veranstalten sollen. Aber dafür waren sie anscheinend nicht ehrgeizig genug. Zum Glück.
    Die andere Sehenswürdigkeit der Stadt, das Schnitzhaus der Liebe, hat ebenfalls eine traurige Geschichte als Hintergrund. Laut einer Legende brannte einem Hausherrn die Frau durch. Aus Langeweile und um seinen Verlust zu kompensieren begann er, am Haus und an den Möbel herumzuschnitzen. Er schnitzte geduldig bis zu seinem Tod. Man munkelt, dass er auch den Sarg für sich selbst geschnitzt habe. Was für eine verklemmte Seele!
    Nach der Lesung im Kesselhaus bekam ich meine Gage
und einige kleine Geschenke vom dankbaren Publikum: zwei Flaschen Wacholderlikör aus dem Hause Wippermann – einer Familie,

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