Liebesgruesse aus Deutschland
Ärzten gegen Flugangst verschrieben werden. Das beliebteste davon ist Tavor, obwohl man sich unter Medizinern noch immer unsicher ist, was gefährlicher für den Patienten ist: Tavor oder Flugangst. Laut Gebrauchsanweisung soll Tavor ein Mittel zur Behandlung von Ängsten und Spannungsstörungen sein, obwohl in seinen Nebenwirkungen schwarz auf weiß das Gegenteil beschrieben wird. Dort steht, dass die Einnahme von Tavor außer den üblichen Kopfschmerzen und Durchfall auch Depressionen hervorruft, Realitätsverlust, Verhaltensstörungen, Panikattacken, Zittern und Schwitzen, Änderung des geschlechtlichen Verhaltens, sexuelle Erregung, Aggressivität, verminderten Orgasmus und Gedächtnislücken. Was soll man dazu sagen, was sich noch wünschen? Guten Flug! Es ist kein Wunder, dass Stewardessen ihre Strümpfe immer wieder nähen müssen.
Als aufgeklärte Bürger nehmen wir niemals Tavor, nur Wein und Cognac. Es hilft hervorragend. Wir haben davon Vorräte angelegt und spezielle Flugangstflaschen in der Küche und im Arbeitszimmer platziert, denn manchmal überkommt einen die Flugangst sogar zu Hause, dieses Gefühl der Ohnmacht. Man braucht nicht zu fliegen, um sie zu spüren. Es reicht schon, einmal in den Himmel zu schauen, wie die Wolken dort oben hängen. Zum Glück hat man zu Hause immer eine sichere Landung.
Die Leberwurst
Als Discjockey und Autor wurde ich nach Mannheim eingeladen, um bei den Feierlichkeiten anlässlich der Vierhundertjahrfeier der Stadt mitzuwirken. Die Stimmung in Mannheim war heiter und gelöst, jeden Tag fand irgendwo eine Lesung oder ein Konzert statt und die Straßen waren mit flanierendem Publikum voll, als wollten die Bewohner sich und der Welt sagen: Wir haben vierhundert Jahre lang geschuftet, jetzt machen wir mal eine Pause und gönnen uns ein wenig Spaß. Dementsprechend großzügig wurden die Artisten empfangen. Im Hotelzimmer warteten jede Menge Geschenke auf mich: ein Obstteller, eine Tafel weiße Schokolade, ein Reiseführer durch Mannheim und Umgebung, herausgegeben vom Mannheimer Verkehrsverein e.V., dazu eine Flasche regionaler Rotwein und eine große Dose Leberwurst, die auf dem Kopfkissen lag und mich anfänglich irritierte. Normalerweise findet man eine Praline auf dem Kissen, höchstens einen Keks. Ich habe noch nie erlebt, dass die Hotelgäste mit Leberwurst beschenkt wurden. Vielleicht war sie von einem anderen Hotelgast hier vergessen worden, überlegte ich, von einem perversen Reisenden, der durch die Welt fuhr und überall
Würste aus der jeweiligen Region mit ins Bett nahm. Das Glas sah aber unverbraucht frisch aus. Ich erkundigte mich bei den anderen Kollegen, Autoren und DJs, auch sie hatten Leberwurst bekommen. Es war also tatsächlich ein Geschenk. Je länger ich darüber nachdachte, umso besser gefiel mir diese originelle Idee.
Warum eigentlich nicht?, dachte ich. Vielleicht ist Leberwurst hier eine Sehenswürdigkeit, ein Wahrzeichen der Stadt, ein Symbol, mit dem sich alle Mannheimer seit über vierhundert Jahren identifizieren. Vielleicht ist die Leberwurst so etwas wie das hiesige Wappentier. Man könnte durchaus Weisheit in der Entscheidung entdecken, sich für eine Leberwurst als Stadtwappen zu entscheiden. Die sonst üblichen Tiere, diese stolzen Geschöpfe mit Flügeln und Schwanz, die zweiköpfigen Adler, die Bären und Drachen, Löwen und Möwen starben früher oder später aus oder wurden zu Leberwurst, die richtig zubereitet und im Glas ewig haltbar blieb. Alles wurde früher oder später zu Leberwurst, wenn es nicht gleich als Leberwurst auf die Welt kam.
Mit diesem optimistischen Gedanken steckte ich die Dose in meine Reisetasche. Ich war fest entschlossen, sie nach Berlin mitzunehmen. Rotwein und Schokolade ließen mich kalt, aber die Wurst konnte ich daheim gut gebrauchen. Meine Frau hatte während der Fastenzeit kein Fleisch gegessen, was ihr erstaunlich leichtgefallen war, viel leichter, als mit dem Rauchen aufzuhören. Es war überhaupt die erste Askese, die ihr gelungen war. Aber die Fastenzeit ging vorbei, und meine Frau blieb vegetarisch,
und dementsprechend kaufte sie kein Fleisch mehr ein. Ich hatte keine Zeit, einkaufen zu gehen, und musste unfreiwillig mitvegetarisieren. Als Zwangsvegetarier war ich über die Dose Leberwurst hocherfreut und malte mir genüsslich aus, wie ich sie zu Hause auf den Frühstückstisch packte, ein seltenes Wappentier in Form einer Pastete.
Meine Kollegen verließen Mannheim mit der Bahn, ich wollte
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