Liebesgruesse aus Deutschland
kapitalistische Autos oder Fußgänger fielen, würde die Versicherung nicht zahlen. Aus diesem simplen Grund haben wir nun gar keine Bäume mehr.
Nach Absprache mit dem Bezirksamt legten wir mit den Nachbarn Geld zusammen und pflanzten wenigstens einen Baum vor unserem Haus, auf eigene Gefahr sozusagen. Aber er ist noch sehr klein, als Baum nicht wirklich erkennbar. Im Mauerpark selbst bleibt alles bis auf Weiteres kahl und leer, nur ein paar Prenzelberger Hunde laufen dort herum. Die Prenzelberger Hunde sind ebenfalls engagiert, sie blicken optimistisch in die Zukunft und kacken schon jetzt den Mauerpark voll, um den Boden für spätere Baumpflanzungen aufzubereiten. Diese Hunde sind eine besondere Rasse, sie sind extrem langlebig, beinahe unsterblich. Die meisten von ihnen habe ich bereits vor fünfzehn Jahren kennengelernt, und sie haben sich seitdem überhaupt nicht verändert. Gut, viele von ihnen haben inzwischen neue Besitzer oder Halstücher in einer anderen
Farbe. Die Hundebesitzer und die Halstücher sind anscheinend nicht so langlebig wie die Tiere. Die extreme Lebensdauer der Prenzelberger Hunde liegt, so glaube ich zumindest, in ihrem gesunden Lebensstil begründet. Sie verbringen viel Zeit an der frischen Luft, sie rauchen und trinken nicht, sie vögeln jeden Tag und ernähren sich relativ gesund – aus großen Büchsen mit Futter, das viele Konservierungsstoffe und andere wichtige Vitamine beinhaltet, die das Hundeleben verlängern. Dieses Hundefutter gibt es in Tausenden von Sorten, beinahe jeden Monat kommt eine neue Hundefutterkonserve auf den Markt. Einmal hatten wir sogar eine Sorte mit Phosphor, was die Hundekacke im Dunkeln leuchten ließ. Dieses Futter verwandelte den Mauerpark für eine kurze Zeit in ein kleines Las Vegas, alles leuchtete grün und blau, und der Park sah aus wie ein funkelndes Meer – sehr sehenswert. Es dauerte aber nicht lange, und die neue Marke verschwand wieder vom Markt, genauso plötzlich, wie sie aufgetaucht war.
Seitdem ist im Mauerpark nicht mehr viel los. Aber zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls rief bei mir die Redaktion von Aspekte an, einer ZDF-Sendung, die aus dem gegebenen feierlichen Anlass Aussagen über die Mauer und das Leben danach sammelte.
»Wieso ich?«, fragte ich den Redakteur, »ich habe doch diese Berliner Mauer nie gesehen oder erlebt, ich kenne sie nur aus dem Fernsehen. Als ich im Juli 1990 aus Moskau nach Berlin zog, war sie schon weg, wir haben uns gewissermaßen verpasst.«
»Aber Sie leben doch so nahe am Mauerpark«, meinte
der Fernsehredakteur, »Sie können uns bestimmt erzählen, wie spannend heute das Lebensgefühl dort ist.«
»O ja, das kann ich gut«, sagte ich. »Nur damit Sie es wissen, bei uns im Mauerpark ist schon lange tote Hose, außer wenn am Sonntag Flohmarkt ist.«
»Das macht nichts«, meinte der Fernsehredakteur, »wir drehen es einfach so, wie es ist.«
Wir verabredeten uns an einem Sonntag um zwölf Uhr bei mir, um wenigstens ein paar Flohmarktkunden im Hintergrund zu haben.
»Vielleicht gelingt es dir, auf diesem Wege die Öffentlichkeit für die Bepflanzung des Parks zu gewinnen«, meinten meine Nachbarn, als ich ihnen von dem Termin erzählte. Das war dann auch mein Plan. Ich wollte das Jubiläum des Mauerfalls nutzen, um über die heutigen Probleme zu reden.
Am verabredeten Tag regnete es. Der Himmel war grau, der Flohmarkt reduzierte sich auf zweieinhalb Kleiderständer. Dazu passierte jedoch Unvorhergesehenes: Ausgerechnet an diesem Sonntag spielte im Jahn-Stadion der 1.FC Union gegen Dynamo Dresden. Dieses Unheil passiert bei uns nicht oft, aber wenn, dann richtig. Wir haben uns längst daran gewöhnt, aber für Außenstehende ist es, glaube ich, nix. Das muss man nicht gesehen haben, schon gar nicht im Nachmittagsprogramm des ZDF, wenn möglicherweise noch Kinder vor der Glotze sitzen. Irgendwie wird es schon klappen, dachte ich jedoch. Wir gingen mit dem Fernsehredakteur und dem Kameramann aus dem Haus, ich stellte mich mit dem Mauerpark im
Rücken auf die Straße und sagte mit trauriger Stimme in die Kamera: »Seit die Berliner Mauer gefallen ist, ist im Mauerpark nichts los.«
In diesem Moment fuhren hinter mir etwa vierzig Polizeiwagen vorbei.
»Na ja«, setzte ich nach einer kurzen Pause fort, »nur manchmal wird der Mauerpark als Übungsgelände für die Berliner Polizei benutzt.«
Eine Hundertschaft mit Stöcken und Schilden bewaffneter Polizeibeamten versuchte währenddessen, hinter
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