Liebesintrige im Herrenhaus
Lippen.
Für Sekundenbruchteile schien die Welt stillzustehen. Elizabeth hielt den Atem an und vergaß alles um sie her. Wie in Trance hob sie die Hand und berührte ihre Lippen mit den Fingerspitzen, verwundert, dass sie nicht wirklich wie Feuer brannten. Denn so fühlte es sich an. Ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen, während ihre Gefühle Amok liefen.
Es dauerte einen Moment, bis sich ihr Verstand wieder einschaltete und sie ermahnte, dass diese beiläufige Geste überhaupt nichts bedeutete, sondern lediglich eine spontane Sympathiebekundung gewesen war, weil sie ihm ihre Ängste gezeigt hatte.
Trotz all seiner Arroganz und Kälte war der Supermann also doch menschlich und zu Mitgefühl fähig.
Sie wich zurück. Natürlich nicht, weil sie sich vor dem Ansturm der verwirrenden Gefühle, die in ihr tobten, fürchtete. Nein, sie war wirklich müde, und er brauchte seinen Schlaf, um sich von dem Infekt zu erholen.
„Ob Sie es glauben oder nicht, aber die Tabletten wirken schon.“
„Tatsächlich? Na, das ist doch wunderbar.“ Sie war schon fast an der Tür. „Wahrscheinlich müssen Sie sich nur ordentlich ausschlafen, dann sind Sie morgen wieder topfit.“
„Ist das Ihre medizinische Expertenmeinung?“, fragte er lächelnd. „Sie haben eine sehr praktische Herangehensweise im Umgang mit kränkelnden Männern. Allmählich begreife ich, warum Sie so gut sind in dem, was Sie tun. Sie geben ihnen nicht nach, und Sie schikanieren sie.“
„Das Wort schikanieren gefällt mir nicht. Es klingt zu sehr wie nörgeln .“ Elizabeth schluckte. Obwohl sie einigen Abstand zwischen sich und Andreas gebracht hatte, fühlte sie sich immer noch wie magisch von ihm angezogen.
„Sie sehen nicht aus wie ein nörgelnder Drache“, erwiderte Andreas sanft.
Wider besseres Wissen flüsterte sie: „Wie sehe ich denn aus?“
Jetzt war sie an der Tür. Nichts hätte sie aufhalten können, wenn sie hätte fliehen wollen. Doch sie stand wie angewurzelt da. Andreas, der das im Bruchteil einer Sekunde begriff, nutzte es sofort für sich aus. Dabei hielt er sich nicht lange bei einer Begründung auf. Neugier genügte ihm als Erklärung, warum er Elizabeth unbedingt in sein Bett bekommen wollte, denn er hatte in seinem Leben nur selten Gelegenheit, diesem Gefühl nachzugeben und wollte es genießen.
„Ehrlich gesagt war ich sehr gespannt auf Ihr Haar.“ Er wandte sich zum Bett und zog den Bademantel aus. Obwohl er Elizabeth den Rücken zukehrte, konnte er sich lebhaft vorstellen, wie sie jetzt dastand: die Wangen gerötet, die vollen Lippen erschrocken geöffnet. Es erregte ihn ungemein. „Sie tragen es ja gewöhnlich so streng zurückgebunden.“
Er streckte sich auf dem Bett aus, zog die Decke halb über sich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Ich habe mir ausgemalt, es zu lösen“, gestand er. „Und mir dann vorgestellt, wie die Locken über Ihre Schultern und Ihren Rücken fallen … so wie jetzt.“ Für Andreas war diese Art der Verführung etwas belebend Neues – kühle Distanz zu wahren, während in ihm die Leidenschaft brannte.
Wie er jetzt in seinem Bett lag und sich gar nicht mehr krank fühlte, wünschte er sich nichts mehr, als die Finger durch diese wilde, schier unbändige rotbraune Lockenmähne gleiten zu lassen, die so gar nicht zu Elizabeths sonst eher verhaltener, disziplinierter Erscheinung zu passen schien. Was ihn zu der Frage führte, wie wild und unbändig diese Frau vielleicht in ihrem Innern war.
Elizabeth hatte bei seinen Worten unwillkürlich ihr Haar berührt und die Hand dann wieder sinken lassen. Ihr Herz pochte, und sie bekam weiche Knie. Sie konnte nicht mehr verleugnen, was der Grund für ihre Gefühlsverwirrung war: Lust. Andreas war ein umwerfender, buchstäblich atemberaubender Mann. Wohl keine Frau wäre gegen seine geballte männliche Schönheit und charismatische Ausstrahlung immun gewesen. Und sie war auch nur eine Frau.
Hatte sie ihm je etwas abgeschlagen? Es auch nur ernsthaft in Erwägung gezogen? Nein. Gerade erst hatte sie sich mitten in der Nacht von ihm aus dem Bett werfen lassen, um ihm Tabletten zu holen, die er früher oder später auch selbst gefunden hätte.
Immer wieder hielt sie sich vor Augen, dass er ihr gefährlich werden konnte, weil er immer noch ihren Motiven misstraute und hinter ihr her spionierte, weshalb sie ihm mit äußerster Vorsicht begegnen sollte. Aber ihr Körper verriet sie, wann immer sie in Andreas’ Nähe war.
„Es
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