Liebesintrige im Herrenhaus
höchst begehrenswert zu finden. Im Gegenteil, die Vorstellung, unbändige Leidenschaft in ihr zu entfachen, gewann vor diesem Hintergrund sogar noch an Reiz.
„Sie sind müde“, sagte er schroff. „Und es war dumm, was ich gesagt habe. Ich entschuldige mich.“
„Wie bitte?“
„Ich entschuldige mich“, wiederholte er schlicht. „Und ich entschuldige mich auch, dass ich Sie geweckt habe, nur weil ich nicht wusste, wo die Schmerztabletten sind.“
„Sie sind nun einmal nicht darauf programmiert, an Schmerztabletten zu denken.“ Elizabeth lächelte erleichtert. „Wie Sie schon sagten, Sie sind eben nicht darin geübt, krank zu sein.“
Am Fuß der großen Treppe hielt Elizabeth kurz inne.
„Wissen Sie, dass nicht ein Tag vergeht, an dem ich mir nicht sage, wie wundervoll dieses Haus ist?“, gestand sie impulsiv.
„Und natürlich nicht zu vergleichen mit einem möblierten Zimmer“, konnte sich Andreas nicht verkneifen zu antworten. Aber er war nicht in der Laune, dieses Gespräch noch einmal zu vergiften, weshalb er sich ein kleines persönliches Geständnis gestattete, das normalerweise in weiblicher Gesellschaft tabu gewesen wäre. „Doch ich bin ganz Ihrer Meinung.“
„Wirklich? Aber Sie müssen sich doch im Lauf der Jahre an all das gewöhnt haben, oder?“
„Es stimmt, dass ich in diesem Haus aufgewachsen bin“, antwortete er langsam. „Der Park war mein privater Spielplatz … aber mein Vater war nur ein Angestellter. Ich vermute, das haben Sie nicht gewusst.“
Nachdenklich schüttelte sie den Kopf und verlangsamte unwillkürlich ihre Schritte, weil sie diesen ungewöhnlichen Moment, da Andreas bereit war, etwas Persönliches von sich zu enthüllen, so lange wie möglich ausdehnen wollte. „Nein, habe ich nicht.“
„Ich bin also vielleicht nicht in einem kleinen Reihenhäuschen aufgewachsen, aber im Hinterkopf war mir immer bewusst, dass dies eigentlich mein Schicksal gewesen wäre.“
„Hatte denn James’ Frau nichts dagegen einzuwenden, sozusagen einen … Ersatzsohn zu bekommen?“ James hatte ihr gegenüber nie ein unfreundliches Wort über die Frau fallen gelassen, die viele Jahre seines Lebens mit ihm geteilt hatte. Elizabeths Mutter, die ihr Herz an ihn verloren und sein Bett geteilt hatte, hatte er bislang noch mit keinem Wort erwähnt. Allerdings sprach er auch nur sehr selten über seine verstorbene Frau.
„Portia interessierte sich nur für sich selbst und den materiellen Wohlstand, den James ihr bieten konnte. Sie war die perfekte Gastgeberin, aber die Ehe hätte vermutlich nie die ersten Jahre überstanden, wenn der Geldfluss versiegt wäre. Nein, sie hat nie einen Einwand gegen mich oder meine Eltern erhoben, aber sie ließ auch nie einen Zweifel daran, dass sie uns stets als bezahlte Bedienstete betrachtete, ungeachtete der ‚philanthropischen Anwandlungen‘ ihres Mannes.“
Bei der Erinnerung an die Kränkung, die er als Teenager erfahren hatte, verzog er das Gesicht. „Sie nannte uns einmal ‚James’ Lieblingsprojekte‘.“ Vor seiner Schlafzimmertür blieb Andreas stehen.
„Wie schrecklich!“
„So ist das Leben“, sagte er sachlich. „Sind Sie immer noch müde, oder wollen Sie mir die Bettdecke zurückschlagen und den Kranken glücklich machen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat er das Zimmer und knipste die kleine Nachttischlampe an.
Elizabeths Herz pochte wild. Urplötzlich schien die Luft zwischen ihr und Andreas zu knistern. „Jetzt bin ich also doch die Krankenschwester“, meinte sie verlegen lachend und wandte sich halb ab.
„Gewissermaßen. Auch wenn James sich inzwischen prächtig erholt hat, kümmern Sie sich ja immer noch um seine körperlichen Bedürfnisse, achten auf seine Diät, sein Kardiotraining … Aber haben Sie schon einmal daran gedacht, dass der Zeitpunkt rasch näher rückt, an dem er sie vermutlich gar nicht mehr braucht?“
Erschrocken fuhr Elizabeth zusammen. Ja, natürlich war ihr der Gedanke schon gekommen, aber bislang hatte sie ihn stets verdrängt – genau wie das unangenehme Problem ihrer wirklichen Identität. „Hat er Ihnen gegenüber davon gesprochen?“, erkundigte sie sich ängstlich.
Andreas, der ihre Panik spürte, wurde sofort wieder von der Neugier und dem starken Wunsch gepackt herauszufinden, was sich tatsächlich hinter all dem verbarg. Er kam dicht zu ihr, sein Blick verweilte auf ihrem schönen, sinnlichen Mund. Ohne zu überlegen, strich er mit einem Finger zart über die bebenden
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