Liebesintrige im Herrenhaus
beeindruckenden, aber sehr abgeschiedenen Herrenhaus abgesetzt und war postwendend wieder in Richtung Zivilisation verschwunden. Also stand sie nun hier draußen, ohne zu wissen, was sie tun sollte, falls niemand zu Hause war.
Und das war nur eines von vielen Dingen, die sie nicht bedacht hatte. Tatsächlich gab es so viele „Was wäre, wenn?“, dass sie sich zwingen musste, ganz ruhig durchzuatmen, weil ihr vor Nervosität die Knie zitterten.
Noch bevor sie richtig darauf gefasst war, ging die Tür auf. Elizabeth sah sich einer schmächtigen Frau von Anfang sechzig gegenüber, die das dunkle Haar zu einem strengen Knoten frisiert trug und Elizabeth scharf und forschend ansah.
„Ja?“, fragte die ältere Frau.
Elizabeth schluckte. Sie hatte sich mit ihrem Aussehen besondere Mühe gegeben und trug ein geblümtes Sommerkleid, dazu ihre Lieblingsstrickjacke in einem schmeichelnden Pfirsichton und flache Sandaletten. Ihre lange rotbraune Lockenmähne ließ sich nur schwer bändigen, aber sie hatte es wenigstens versucht und das Haar zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr fast bis zur Taille reichte.
Doch obwohl sie wusste, dass sie wirklich vorzeigbar aussah, half das nichts gegen ihre Unsicherheit. Sie war in diesem Moment genauso nervös wie vor zwei Monaten, als sie den Entschluss gefasst hatte, hierherzukommen.
„Ich … ich würde gern Mr Greystone sprechen.“
„Haben Sie einen Termin?“
„Nein, leider nicht. Wenn es jetzt ungelegen ist, könnte ich natürlich wiederkommen …“ Ein paar Meilen entfernt war ihr eine Bushaltestelle aufgefallen. Nervös zupfte sie am Lederriemen ihrer Schultertasche.
„Hat die Agentur Sie geschickt?“
Verständnislos sah Elizabeth die kleine Frau vor ihr an. Welche Agentur? Und weshalb geschickt? Sie wusste einfach viel zu wenig über James Greystone. Die spärlichen Informationen, die sie besaß, stammten aus dem Internet und beschränkten sich im Wesentlichen darauf, wie er aussah, wie alt er war und dass er wohlhabend war.
Obwohl ihr erst beim Anblick seines Landsitzes bewusst geworden war, wie reich er wirklich war. Sie wusste, dass er sich inzwischen aus dem höchst lukrativen Bauunternehmen, das schon sein Großvater gegründet hatte, zurückgezogen hatte und als Einsiedler galt. Tatsächlich fand sich trotz seines immensen Vermögens so bemerkenswert wenig über ihn, dass Elizabeth nur annehmen konnte, er habe sich von jeher ganz bewusst dem Licht der Öffentlichkeit entzogen.
„Ich … äh …“, entgegnete sie deshalb zögernd, weil sie keine Ahnung hatte, was die Frau von ihr hören wollte. Doch der schien es zu genügen, denn sie öffnete die Tür weit. Elizabeth betrat eine Eingangshalle, deren Anblick ihr den Atem raubte.
Einen Moment stand sie einfach nur da und blickte sich staunend um. Einen Teil des Bodens aus schönen, alten Steinfliesen bedeckte ein kostbarer alter Perserteppich. Dem Eingang direkt gegenüber stieg eine wahrhaft majestätische Treppe empor, die sich auf dem ersten Absatz in entgegengesetzte Richtungen teilte. An den Wänden hingen zu beiden Seiten traditionelle Landschaften in Öl in schweren, vergoldeten Rahmen, vermutlich genauso alt und wertvoll wie alles andere hier.
Dies war eins jener Häuser, die nicht bloß Zimmer hatten, sondern Flügel.
Wie war sie nur auf den Gedanken gekommen, der beste Weg wäre die direkte Konfrontation? Warum hatte sie nicht erst einmal einen Brief geschrieben, wie es jeder normale Mensch in ihrer Lage getan hätte?
Der erwartungsvolle Blick der Haushälterin holte Elizabeth in die Wirklichkeit zurück.
„Mr Greystone trinkt gerade Kaffee in der Bibliothek. Wenn Sie einen Moment warten, melde ich Sie an. Ihr Name?“
Elizabeth räusperte sich. „Miss Jones. Elizabeth Jones. Meine Freunde nennen mich Lizzy.“
Nach genau drei Minuten und fünfundvierzig Sekunden, in denen sie alle paar Sekunden auf die Uhr gesehen hatte, kehrte die Haushälterin zurück und bat Elizabeth, ihr in die Bibliothek zu folgen. Auf dem Weg kamen sie an so vielen Räumen vorbei, dass Elizabeth völlig die Orientierung verlor.
Als die Haushälterin ihr schließlich die Tür zur Bibliothek öffnete, um sich dann diskret zurückzuziehen, sah sich Elizabeth nicht nur James Greystone gegenüber, sondern einem weiteren Mann, der mit dem Rücken zu ihr vor einem der hohen Fenster stand, die auf den parkähnlichen Garten hinausgingen.
Es verschlug ihr buchstäblich den Atem, als er sich nun langsam zu ihr
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