Liebeskind
dann ihr feuchtes Höschen im Schuppen zu bedeuten gehabt? Was war mit der Gänsehaut, die ihren ganzen Körper überzogen hatte, als Torsten sie berührte? Und wie war es mit Johannes gewesen, ihrem Freund aus der Studienzeit?
Worum ging es hier überhaupt, fragte Elsa sich verwirrt. „Ich kann auch eine Blume lieben“, diesen Satz hatte einmal eine Italienerin zu ihr gesagt. Natürlich eine Italienerin. Elsa hatte sie auf einem Kongress in der Schweiz kennen gelernt. Ein schöner Gedanke, und diese Frau hatte das auch wirklich ernst gemeint. Sie schien genau das zu leben, was für andere Menschen nicht mehr als ein verlockender oder absurder Gedanke war. War es nicht eigentlich egal, in wen man sich verliebte? War es nicht vielmehr Zufall und somit unbedeutend, ob dieser Mensch einen Schwanz hatte oder aber andere Schätze, die innen lagen?
Konnte es eine Zukunft, eine Perspektive mit Paula geben?
Auch wenn die Großfahndung inzwischen in die Wege geleitet war, spürte Anna Greve nach wie vor eine große Unruhe in sich. Der Umstand, dass sich Elsa Hollstein noch immer im Landkreis Harburg aufhielt, sprach dafür, dass der Albtraum noch nicht zu Ende war. Wahrscheinlichbefand sich Elsa bereits auf den Spuren ihres nächsten Opfers, und sie mussten hilflos abwarten, was als Nächstes geschehen würde. Schließlich konnten sie ja schlecht jeden einzelnen von Elsas ehemaligen Mitschülern observieren. Das Einzige, was sie versuchen konnten, war, die Mörderin zu erwischen, bevor diese erneut zuschlug.
„Kommen Sie, Weber, wir schließen uns der Suche nach Elsa Hollstein vor Ort an. Ist immer noch besser, als hier herumzusitzen und gar nichts zu tun.“
15
Elsa beobachtete, wie Paulas beigefarbener Geländewagen in die Einfahrt des Bauern Westerhofen abbog. Früher war das hier eine heruntergekommene Klitsche gewesen, erinnerte sich Elsa. Der ganze Hofladen war nicht mehr als ein notdürftig von einem braunen Wollvorhang abgeteiltes Scheunenteil gewesen. Doch das hatte sich grundlegend geändert. Über der Hofeinfahrt war nun ein großes Schild angebracht: „Ökohof Westerhofen – Lebensmittel in Demeter-Qualität“, und die windschiefe Scheune hatte sich inzwischen in einen voll verglasten, modernen Supermarkt verwandelt. Mittlerweile gab es hier sogar zwei große Parkplätze, die an diesem Abend nahezu voll belegt waren. Elsa blickte sich um und sah vor allem Hamburger Kennzeichen. Auf dem Vorplatz stand eine mit roten Schleifen und vielen elektrischen Kerzen geschmückte Blaufichte. „Jetzt zu Weihnachten: Frische Enten und Gänse!“, stand mit weißer Kreide auf einer Schiefertafel geschrieben, die vor dem Eingang angebracht war. Paula verschwand in der Tür des Geschäftes, Elsa wendete derweil ihren Peugeot und wartete. Nach einer Weile kam Paula in Begleitung eines dicklichen Mannes über den Hof zurück. Das musste Walter sein, der mittlere Spross der Westerhofens. Paula schob einen gut gefüllten Einkaufswagen vor sich her, obenauf lag eine Papiertüte, aus der Lauchstangen herausragten. Walter Westerhofen trug einenZehn-Kilo-Sack Kartoffeln, auf den er noch einen zweiten kleineren gestapelt hatte. Elsa konnte sehen, wie die beiden miteinander lachten. Sie öffnete das Fenster auf der Beifahrerseite, um zu hören, was sie miteinander zu bereden hatten.
„Gib Anna einen Kuss von mir. Sag ihr, sie soll es nicht zu doll treiben über die Feiertage.“
„Ich hol die Gans dann morgen ab, ja, Walter?“
„Klar, ich werde den schönsten Vogel für dich auswählen. Wer ist denn dieses Jahr der Auserkorene?“
Was fing eine einsame Frau wie Paula nur mit solch einer großen Gans an, fragte sich Elsa. Oder würde sie das Tier vielleicht zerteilen und portionsweise einfrieren? Elsa startete ihren Wagen und fuhr langsam hinter Paula her. Mittlerweile war es dunkel geworden, trotzdem schaltete Elsa die Scheinwerfer erst wieder an, als sie die Hauptstraße erreicht hatten. Erneut schlug Paula den Weg in Richtung der Dunkelhaarigen ein, parkte wenig später vor deren rotem Backsteinhaus und klingelte. Statt der Dunkelhaarigen öffnete heute jedoch ein hochgewachsener Mann die Haustür. Er ging hinter Paula her zu deren Geländewagen und lud mit ihr zusammen die Lebensmittel aus.
„Hier, Tom, wie versprochen, etwas zu futtern für euch. Wenn du willst, helfe ich dir.“
Der Mann nahm Paula in den Arm und sagte: „Ich habe eine gute Idee, der Rote aus der Toskana ist nämlich gestern angekommen. Komm,
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