Liebeskind
wir machen eine Flasche auf.“
„Ist Anna nicht da?“
Es waren die letzten Worte, die Elsa noch hören konnte, danach waren die beiden im Hauseingang verschwunden.
„Danke noch mal, Paula. Ich wäre heute beim besten Willen nicht mehr zum Einkaufen gekommen, und Annas Muttermit solchen Lappalien zu belatschern ist vollkommen sinnlos.“
„Elisabeth habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen, wie geht es ihr denn so?“
„Die hat den Kopf zurzeit echt voll. Sie scheint auch nicht besonders traurig zu sein, dass unser großes Weihnachtsessen dieses Jahr wegen des Unfalls meines Vaters ausfällt. Elisabeth hat sogar vorgeschlagen, den Heiligabend bei sich daheim zu verbringen, damit wir unsere Ruhe hätten, meinte sie. Und das alles nur wegen Herrn Horn, dem netten Klavierspieler, der über ihr wohnt.“
Tom trug den Lauch in die Küche, die Kartoffeln stellte er am Treppenabsatz zum Keller ab. Danach öffnete er eine Flasche Montepulciano und füllte den Wein in eine Glaskaraffe um.
„Wo steckt denn eigentlich Anna?“
Toms Miene verfinsterte sich.
„Weiß nicht. Auf jeden Fall scheint sie mal wieder etwas Wichtigeres als uns im Kopf zu haben.“
Auf einmal stand Ben in der Küchentür, mit Pupillen so groß wie Hafertaler, und kicherte albern.
„Hi, Paula. Mama ist wohl noch immer am Arbeiten, oder? Wahrscheinlich wäre sie ohne uns besser dran. Was gibt es zu essen, Papa?“
Paula wartete gespannt auf Toms Reaktion, doch der fiel nur in das dümmliche Grinsen seines Sohnes mit ein.
„Also, ich weiß, dass Anna ganz viel an euch denkt. Ich hätte gern eine Mutter wie Anna gehabt, mein Großer“, ergriff Paula lächelnd das Wort.
„Du kennst sie auch nicht so, wie wir das tun. Mam verbietet mir alles Mögliche, sie ist echt schräg drauf im Moment. Außerdem ist sie nie da.“
„Bist du denn kein bisschen stolz auf deine Mutter?“, gab Paula nun eine Spur härter zurück.
„Wieso, weil sie als Bulette arbeitet?“
„Nein, weil sie so ist, wie sie ist. Deine Mutter ist wirklich eine klasse Frau, und du solltest sie ein bisschen mehr unterstützen. Ich bewundere, wie sie das alles hier meistert. Außerdem seid ihr ja auch nicht gerade immer ein stetiger Grund zur Freude, oder? Wie lange willst du mit deiner Kifferei eigentlich noch weitermachen, Ben? Meinst du nicht, du hast mittlerweile zur Genüge bewiesen, dass du kein kleines Kind mehr bist?“
Tom sah Paula warnend an.
„Du musst hier wirklich nicht für Anna in die Bresche springen, Paula. Ben wird schon noch von ganz allein dahinterkommen, wie er sich zu verhalten hat, auch wenn Anna das manchmal anders sieht. Ich vertraue meinem Sohn jedenfalls.“
Unterdessen verstärkten Anna und Weber die uniformierten Kollegen aus dem Landkreis Harburg bei ihrer Suche nach Elsa Hollstein. Der Provider ihres Handys gab Elsa Hollsteins Position stündlich an die Kollegen in der Leitzentrale weiter, sodass sie gegenwärtig ziemlich genau wussten, in welcher Gegend sich Elsa Hollstein zurzeit befand. Sie war von Maschen-Horst aus zuerst in Richtung Hittfeld gefahren, den Ort, in dem auch Anna Greve lebte. Anschließend hatte sich das Signal wieder zurück nach Maschen bewegt, um dann eine Stunde später auf dem Weg nach Ramelsloh plötzlich abzubrechen. Also musste Elsa Hollstein ihr Handy ausgeschaltet haben. Möglicherweise hatte sie mit Ramelsloh aber auch den Ort erreicht, in dem sie die Nacht verbringen würde.
Während sich Anna zusammen mit Weber auf den Weg nach Ramelsloh machte, dachte sie darüber nach, was sie tun würde, befände sie sich in der Lage von Elsa Hollstein.
In keinem Fall hätte sie sich in ein Hotel eingemietet, denn dort fiel man viel zu sehr auf. Stattdessen hätte sie sich entweder für ein Zimmer mit Frühstück in einer privat geführten Pension oder, noch besser, für ein Apartment entschieden, in dem man ganz und gar ungestört war. Also setzten die Kommissare mit ihrer Suche genau hier an und fragten in abseits gelegenen, privat geführten Pensionen nach der Täterin.
Nach ihrem Besuch bei Tom und Ben stieg Paula in ihren Wagen und überlegte, ob sie jetzt nicht besser Anna anrufen und sie über die Lage zu Hause informieren sollte. Toms vorwurfsvoller Ton war Paula nicht entgangen, er würde Anna das Heimkommen ganz sicher nicht leicht machen. Doch wahrscheinlich war ihre Freundin bestimmt noch immer in Sachen „Ungeheuer von Maschen“ unterwegs. Nein, Paula hatte sich entschieden. Sie würde sich
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