Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Augenbrauen, die voller Trauer an den Furchen der Gesichtszüge hinabblicken, deren Schönheit in einer Nacht verschwunden ist, alles von derselben Farbe, einer changierenden Sandfarbe, grau und golden, wie eine Uniform, die man nicht ausziehen kann, eine Uniform aus Sonne und Staub, und ich versuche, ihn mit meinem Blick zu heilen, der Schrecken kriecht in mir hoch wie eine kleine Raupe, ich frage mich, ob das der Moment ist, dem ich, wie ich schon immer gewußt habe, nicht entkomme, der Moment, der das Leben in zwei Teile bricht, so daß danach nichts mehr dem gleicht, was es vorher gegeben hat, sondern nur noch ein verzerrtes, lächerliches Spiegelbild des Vergangenen wird, ich frage mich, ob dies der Moment ist, ob das seine Gerüche und seine Farben sind, die unser voriges Leben strotzend vor Glück erscheinen lassen, im Gegensatz zu dieser verkrüppelten, beschämenden, für immer ans Bett gefesselten Einsamkeit.
Eine eingebildete Hand, lang und warm, wird mir aus dem Bett entgegengestreckt, eine riesige, mütterliche Hand, die mich lockt, mich neben ihn zu legen und mich von seiner Lähmung anstecken zu lassen, und ich fange an zu zittern, da ist das Leben, es läuft tropfenweise aus mir heraus und sammelt sich zu einer Pfütze außerhalb dieses Zimmers, und ich bleibe ohne Leben zurück, luftig, schwerelos, versuche, mich am offenen Fenster festzuhalten, und betrachte mit prüfendem Blick das Zimmer, als wäre ich ein Frühlingsvogel, der zufällig hier hereingeraten ist. Da, an der Wand, ist der große Kleiderschrank, gestern erst bin ich auf die Leiter gestiegen, habe die Sommersachen heruntergeholt und die Wintersachen weggeräumt, ich stieß sie tief hinein, als würde der Winter nie wiederkommen, und Noga stürzte aus ihrem Zimmer, wie immer mitten im Satz, wann kommt Papa zurück, fragte sie, und sofort danach, wann gibt es Essen, und ich sagte, er kommt heute nacht zurück, wenn du schon schläfst, du wirst ihn morgen früh sehen. Und bringt er mich in die Schule, fragte sie, ihre Nüstern blähten sich, und ich sagte, warum nicht, nach einigen Tagen der Trennung kommt es uns immer vor, als wäre sein Fehlen das einzige, was zwischen uns steht, und er brauchte nur zurückzukommen und die Kluft zwischen uns hätte sich geschlossen.
Da ist der rote Teppich, der Teppich meiner Kindheit, mit den kleinen, verblichenen Herzen, und da ist das Bett, das wir vor Jahren zögernd einem Paar abkauften, das sich scheiden ließ, daneben sein Rucksack, staubig und leer, und an der Wand das Bild unseres alten Hauses mit dem Ziegeldach, über das kleine Wolken ziehen, und ich suche Rettung in diesen stummen Gegenständen, nichts ist verschwunden, nichts hat sich geändert, und deshalb wird sich auch mein Leben nicht ändern. Gleich wird er aufwachen und versuchen, mich auf seine herrschsüchtige Art ins Bett zu ziehen, ich weiß genau, was du brauchst, wird er verkünden, warum willst du nicht das von mir annehmen, was ich geben will, und diesmal werde ich nicht anfangen zu streiten, wie ich es sonst immer tue, ich werde ihm nicht mit der naiven Ernsthaftigkeit einer Gefangenen den Katalog meiner Enttäuschungen vorhalten, sondern das Nachthemd ausziehen und ins Bett springen, wie man in ein Schwimmbecken springt, kurzentschlossen, ohne zu prüfen, wie kalt das Wasser ist, warum eigentlich nicht, schließlich sind wir Mann und Frau, und das da ist ein Stück unseres einzigen Lebens.
#
2
Verschluckt von einem fast kochendheißen Wasserfall, meine ich, das Wimmern eines Babys zu hören, ein Ton, der nicht über das Ohr ins Bewußtsein dringt, sondern zwischen den Rippen hindurch direkt ins Herz. Die kleine Noga ist aufgewacht, ihre weiße Stirn glüht, ihre Augen glänzen vor Fieber, und ich drehe bedauernd den Wasserhahn zu, trenne mich von dem beruhigenden Strahl und lausche angespannt, und dann denke ich erleichtert, Noga ist doch schon weggegangen, sie ist auch kein Säugling mehr, sie bedroht mich nicht mehr mit ihrer Hilflosigkeit, und ich drehe den Hahn wieder auf, früher hat mir meine Mutter die Uhr hingestellt, nur sieben Minuten, hat sie gemahnt, damit noch Wasser für die anderen übrigblieb, und ich beobachtete feindselig die Zeiger, diese sieben Minuten waren so kurz, ich sehnte mich schon danach, groß zu sein und das Haus zu verlassen, nur damit ich ohne Uhr duschen konnte, und jetzt bin ich bereit, gleich noch einmal mit dem Duschen anzufangen, ich lasse mich vom Wasser liebkosen, aber wieder stört
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