Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
sie schnell, nicht ich bin es, die krank ist, sondern er, ich deute auf Udi, der bewegungslos daliegt, die Augen auf einen Punkt an der Decke gerichtet, und sie wiederholt hartnäckig, es ist wohl besser, Sie liegen hier als auf dem Flur.
Vorsichtig, als wäre er ein neugeborenes Kind, halten wir Udi fest, ziehen ihm das T-Shirt aus und helfen ihm in eine ausgeblichene Pyjamajacke, an der die meisten Knöpfe fehlen. Die Hände der Schwester sind schmal und glatt, ihre Fingernägel gepflegt, und einen Moment lang sehe ich meine Hände neben ihren und schwanke, Sommersprossen, die sehr früh gekommen sind, Haut, die ihren Glanz verloren hat, Falten, von der Zeit auf meine Hände gemalt und nicht mehr wegzuradieren, ich versuche, meine Hände zu verstecken, überlasse es ihr, Udi die Pyjamahose anzuziehen, der Katheter versteckt sich bescheiden in einer Ecke, seltsam gleichgültig schaue ich zu, wie ihre schönen Finger sich mit ihm beschäftigen, mit diesem Körper, der mir gehört hat und sich plötzlich seiner eigenen Herrschaft und auch meiner entzogen hat, schon liegt sein Kopf auf einem Kissen, seine Augen schauen zur Decke, er ignoriert mich böse, was habe ich getan, ich kann mich schon nicht mehr erinnern.
Ich ziehe mir einen Stuhl heran und setze mich neben ihn, meine Fähigkeit, mich zu bewegen, erstaunt mich, wir sind zu dritt im Zimmer, und nur ich kann mich bewegen, ich kann mir einen Stuhl holen, ich kann mir selbst helfen, ausgerechnet ich, entgegen allen Erwartungen, vielleicht ist es ja das, was ihn ärgert, vielleicht ist er neidisch auf die Kluft, die sich plötzlich zwischen uns aufgetan hat, ganz unerwartet, fast lächerlich, brennend wie das Gelächter des Schicksals, und ich versuche, seinen Arm zu streicheln, aber der Anblick meiner Hände stört mich, ich verstecke sie unter meinen Oberschenkeln, bis an mein Lebensende werde ich keine anderen Hände mehr haben, auch keinen anderen Ehemann. Willst du, daß ich dir was zu trinken bringe, frage ich, und er sagt, ich habe keinen Durst, und deutet mit dem Kopf auf die Infusion, die ihm Flüssigkeit zuführt, und ich fahre fort, vielleicht etwas zu essen? Ich möchte nur schlafen, No’am, ich habe keine Kraft, und ich werde gleich ganz weich, er ist nicht böse auf mich, er ist bloß müde, ich lege meinen Kopf an seine Schulter, mein Udi, schlaf, ich bin hier bei dir, und schon decken seine Atemzüge die Worte zu. Ein schreckliches Jammern ist zu hören, das Jammern einer kleinen verlassenen Katze in einer Regennacht, aber nicht aus seinem Mund kommt das Jammern, sondern von den schönen Lippen des Gefangenen, beide schlafen in einem gemeinsamen Zimmer, wie Brüder, nachdem sie gestritten haben.
Leise, auf Zehenspitzen, schleiche ich hinaus, sogar der Polizist hat seinen Posten verlassen, also darf ich es auch, ich renne zum Aufzug, genieße die Leichtigkeit, mit der ich mich bewege, nur ich allein, ohne Kinderwagen, ohne Krankenbett, ich fahre hinunter zur Cafeteria und kaufe mir einen Kaffee und ein Brötchen, setze mich mit einem erleichterten Seufzer ans Fenster, mir kommt es vor, als wäre dieses Brötchen genau dasselbe, das der Arzt vorhin gegessen hat, von weitem sehe ich ihn eintreten, ich schicke ihm ein verführerisches Lächeln zu, auch eine Frau, deren Mann gelähmt ist, darf sich eine kleine Freude gönnen, aber er ignoriert mich, ich würde ihn gerne fragen, was mit Ge’ula ist, aber vielleicht ist es besser, wenn ich es nicht weiß, vielleicht war sie es überhaupt nicht. Ich hätte gerne, daß er sieht, daß ich ebenfalls ein Brötchen in der Hand habe, daß ich ebenfalls ein Mensch bin, aber er hält sich nicht auf, er nimmt eine Flasche Cola und geht sofort wieder zum Ausgang, vielleicht ist er es ja gar nicht. Ich folge mit den Augen seinen kurzen Beinen, ein Fuß ist immer in der Luft, so leicht geht er, das Wunder des Gehens ist ihm vertraut, und nicht nur ihm, alle, die um mich herum sind, bewegen ihre Arme und Beine mit einer Leichtigkeit, als wären sie als Wanderer geboren, nur mein Udi, drei Stockwerke über uns, liegt bewegungslos im Bett, und wieder steigt die Angst in meiner Kehle auf, er ist krank, er ist krank, er ist krank, eine Krankheit hat ihn gepackt und zerrt ihn in die Tiefe.
Ich gieße mir den Rest des Kaffees in die Kehle und beeile mich zurückzugehen, schwer atmend erreiche ich die Station, Udi schläft noch, aber der Gefangene windet sich auf seinem Bett, komm, tu mir einen Gefallen und binde mich
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