Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
streiten, ausgerechnet an einem Ort, an dem man zusammenhalten muß, ich schweige, lasse Ge’ula hinter mir, schaue mich nicht um, aber ich kann mir vorstellen, welche Versuche man macht, sie am Leben zu erhalten, der junge Arzt beugt sich über ihren dunklen Körper, der nur aus Kummer und Rauch besteht, und als ich an ihre gefährliche Liebe denke, an ihr Leben, das so bitter wie Gift ist, weiß ich schon nicht mehr, was ich ihr wünschen soll.
Wenn ich sie aufsuchte, versteckte Daniel sich vor mir wie ein erschrecktes Tier, den ganzen Tag war er in der dunklen Einzimmerwohnung mit dem leeren Kühlschrank und den vollen Aschenbechern eingesperrt, einmal brachte ich ihm Farbstifte mit, und er wußte nicht, was er damit anfangen sollte, schließlich schob er sich einen Stift in den Mund und fing an, daran zu saugen, und sie machte mir eine ihrer Szenen, wieso bringen Sie ihm Geschenke, wollen Sie, daß er sich in Sie verliebt, daß er Sie mehr liebt als mich, er gehört mir, kapieren Sie das, er gehört nicht dem beschissenen Staat und nicht dem beschissenen Sozialdienst, und ich versuchte ihr zu erklären, Sie haben recht, Ge’ula, er gehört Ihnen, aber wenn Sie ihn nicht versorgen, wie es sich gehört, müssen wir uns um ihn kümmern, wir stehen auf der Seite des Kindes, nicht auf Ihrer, und sie starrte mich mit roten Augen an, ich und mein Kind sind auf derselben Seite, wir sind ein Körper, ein Körper sind wir, und sofort drückte sie ihn an sich, an ihre knochigen Glieder, ihr habt mir nicht zu sagen, wie ich mein Kind behandeln soll, und ich ging hilflos wieder weg, zwei Möglichkeiten sah ich, als ich im Treppenhaus stand, und beide waren gleich erschreckend, ihn ihr wegnehmen oder ihn bei ihr lassen, und als ich mich am Schluß dazu durchrang, eine Adoption zu empfehlen, wunderte sich der Richter, warum ich so lange gezögert hatte. Sie liebt ihn so sehr, sagte ich in dem Versuch, sie zu verteidigen, mich selbst zu verteidigen, und er sagte, die Frage ist nicht, ob man ihn liebt oder nicht, sondern wie man ihn liebt, und ich verkroch mich tief in meinem Innersten, als spräche er über mich, über mich und Udi, so viele Jahre lang hatte ich mir gesagt, er liebt mich, statt mich zu fragen, wie er mich liebte und ob mir die Art seiner Liebe gefiel.
Vielleicht war die Tatsache, daß ich die Antwort wußte, der Grund dafür, daß ich es nicht wagte, mich dieser Frage zu stellen, ich brachte mich immer mit dem Satz zum Schweigen, sei froh, daß du einen Mann hast, der dich liebt, lieber so eine Liebe als gar keine, aber jetzt, auf dem Weg zur Inneren Abteilung, wehre ich mich, warum denn gar keine Liebe, warum dieser Defätismus, vielleicht gab es noch etwas für mich, vielleicht wartete etwas darauf, daß ich es erkenne. Du hast es einmal probiert und erfahren, wie es endet, sage ich mir, um die kleine Flamme zu ersticken, denn jetzt ist mein Schicksal entschieden, jetzt findet unsere wirkliche Hochzeit statt, im Schatten der tropfenden Infusion. Wenn ich es bis heute nicht geschafft habe, ihn zu verlassen, als er noch gesund war, werde ich es jetzt erst recht nicht können, der Rest meines Lebens ist beschlossen, nichts Altes hört auf, nichts Neues kommt hinzu, und als ich mich im Spiegel des Aufzugs betrachte, eine Gestalt, die sich über ein schmales Bett beugt, mit wirren Haaren und besorgten Augen, die mit dem verschmierten Lidschatten aussehen, als wäre ich geschlagen worden, weiß ich, wie vorhin bei Ge’ula, nicht, was ich mir wünschen soll.
Auf der Station werden wir gelassen empfangen, die Unterlagen, die wir gesammelt haben, sprechen für uns, eine hübsche Schwester bringt uns zu einem Zimmer, ihr Gesicht hat den gleichgültigen Ausdruck eines Zimmermädchens in einem Hotel, und ich bin erstaunt, an der Tür des Zimmers einen schläfrigen Polizisten vorzufinden, der ununterbrochen gähnt. Mißtrauisch blicke ich mich um, welche hochgestellte Persönlichkeit wird hier bewacht, und zu meiner Verblüffung entdecke ich im Bett gegenüber einen gutaussehenden jungen Mann mit langen blonden Haaren, der mit Handschellen am Bett befestigt ist, er ist fast nackt, nur sein eines Bein steckt in einem Verband. Ich frage die Schwester, wer er ist, und sie sagt, er ist bei einem Streit im Gefängnis verwundet worden, aber machen Sie sich keine Sorgen, er ist gefesselt, und ich frage, gibt es kein anderes Zimmer, sie sagt, das ist das einzige freie Bett, wollen Sie etwa auf dem Flur liegen? Ich korrigiere
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