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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Udi, aber er bleibt bei uns sitzen und schaut zu, wie wir die Eier schälen, wie wir schweigend die Suppe löffeln, er beobachtet uns mit konzentrierten Blicken und gerunzelter Stirn, als sammelte er weitere Details für eine unbekannte wissenschaftliche Arbeit, und Noga wirft ihm vorsichtige Blicke zu. Manchmal bittet sie ihn um Hilfe bei den Hausaufgaben, und ich versuche dann natürlich, heimlich mitzuhören, ich drücke mich an der Tür herum und horche, ob dort, zwischen den Büchern und Heften, noch etwas anderes gesagt wird, etwas, worauf ich schon seit Jahren warte, aber ihre Gespräche verlaufen sachlich, überhaupt ist alles zwischen uns trocken und sachlich geworden.
    Na und, tröste ich mich, das ist doch ganz gut so, Hauptsache, es wird nicht schlimmer, wir haben uns genug aneinander aufgerieben, es ist besser, ein bißchen Distanz zu wahren, auch wenn ich manchmal, wenn ich allein auf dem Balkon sitze, zugeben muß, daß uns schon nichts mehr verbindet außer einer drohenden Gefahr, es ist, als befänden wir uns alle schon lange in einem Bunker und würden, wenn alles vorbei ist, wieder jeder seiner Wege gehen, und wenn wir uns dann auf der Straße träfen, würden wir noch nicht einmal mit den Lidern zucken, denn keiner hätte Lust, sich an die beschämenden Tage im Versteck zu erinnern. Selbst die Blutsbande scheinen sich bei dieser Hitze aufzulösen, sie kochen und brodeln unter der dünnen Hautschicht, und sogar Noga betrachte ich manchmal erstaunt, was habe ich mit ihr zu tun, sie sieht mir nicht ähnlich, sie verändert sich immer mehr, als wollte sie mich ärgern, vor meinen Augen wächst ihr Körper wild und geheim, und eines Nachts ruft sie mich erschrocken, die Brust tut mir weh, unter der Brustwarze. Ich komme nur schwer zu mir, betaste ihre Brust mit verschlafenen Fingern, was ist das, da verbirgt sich eine Nuß, rund und hart, ein Alptraum, und ich flüstere ihr zu, das ist nichts, Nogi, schlaf, und ich versuche, meine Sorge zu verstecken, aber ich kann schon nicht mehr schlafen. Meine Kehle ist voller schmerzender Nüsse, ich kann nicht schlucken, Panik schlägt an Panik. Ist das etwa das Ding, dessen Namen ich nicht zu nennen wage, kann es eine Geschwulst an einer Brust geben, die noch keine Brust ist, ich muß sie untersuchen lassen, und gegen Morgen halte ich es nicht mehr aus, ich wecke Udi und setze mich zitternd an seinen Bettrand, und er murmelt schlaftrunken, Blödsinn, bestimmt wächst ihr der Busen, und ich streiche über meine Brüste, sie fühlen sich anders an als Nüsse, ich kann mich gar nicht erinnern, daß es mit solchen Schmerzen anfängt, und am Morgen stürze ich zu Noga, kaum daß sie die Augen aufgemacht hat, und befühle sie, ja, es kann sein, daß er recht hat, ich atme erleichtert auf, mir scheint, daß auch auf der anderen Seite eine kleine Nuß wächst, die Warzen sind geschwollen, ich teile ihr erfreut mit, das ist nichts, Nogi, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dir wächst bloß der Busen, doch zu meiner Überraschung bricht sie in untröstliches Weinen aus, als sei das die allerschlimmste Nachricht, schlimmer als eine tödliche Krankheit. Sie trampelt gegen das Bett, ich will keinen Busen, kein Mädchen in meiner Klasse hat einen Busen, wofür brauche ich einen Busen, sie werden mich noch mehr auslachen als bisher, und ich streichle sie bedrückt, es ist wirklich noch zu früh, ich war in ihrem Alter noch vollkommen flach, jetzt wird sie noch etwas haben, um es unter den T-Shirts zu verstecken, und die Erleichterung, die ich empfunden habe, löst sich auf, ich warne Udi, sag ihr, daß das ganz natürlich ist, sag ihr, daß ein Busen was Schönes ist, befehle ich ihm, und er antwortet kühl, natürlich ist das etwas Schönes, und mir ist klar, daß wir beide in diesem Moment an die muskulöse, glatte Brust mit der schwarzen Brustwarze denken.
    Aber die Tage gehen vorbei, und sie kommt nicht, mit heimlicher Sehnsucht warte ich voller Hoffnung auf sie, es ist seltsam, immer wenn sie tatsächlich vor mir steht, packt mich Zorn, aber wenn ich an sie denke, liebe ich sie fast, in meinen Gedanken ist sie barmherzig und warm und klug, ich sehe sie vor mir, wie sie dasitzt und stillt, und das leise Schmatzen des Babys mischt sich mit dem Zwitschern der Vögel und dem Jaulen der Katzen, ein untrennbarer Teil der Geräusche des Universums. Der Gedanke an sie weckt eine angenehme Sicherheit in mir, wenn irgend etwas wieder schiefläuft, wird sie kommen und uns

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