Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
habe eine ekelhafte Figur. Ich nehme sie in den Arm, du fängst nur an, erwachsen zu werden, dein Körper hat sich noch nicht geformt, es dauert einige Jahre, bis der Körper seine Formen annimmt, aber insgeheim bin ich wie sie, ich denke an Schira und Meiraw, wie schlank und braungebrannt sie sind, mit glatten Haaren und Ohrringen, die ihnen wie süße Geheimnisse an den Ohrläppchen baumeln.
Jetzt sehne auch ich mich schon nach zu Hause, ich kann nicht mehr warten, hier sind wir schutzlos, nur zu Hause sind wir in Sicherheit, aber plötzlich verdunkelt sich das Einkaufszentrum, als wäre die Sonne mitten am Tag untergegangen, und jemand schreit, Stromausfall, vor lauter Klimaanlagen hat es einen Kurzschluß gegeben, die Menschen drängen sich zu den Ausgängen, so groß, wie das Verlangen war, hier Schutz vor der Hitze zu suchen, so groß ist jetzt ihr Verlangen, von hier zu fliehen, im Eckladen unseres Stockwerks sind plötzlich Flammen zu sehen, ein Feuer ist ausgebrochen und macht sich gierig über die italienischen Schuhe her, der Gestank von verbranntem Leder erreicht uns in dicken schwarzen Rauchschwaden, ich packe Noga am Arm und ziehe sie hinter mir her, hustend und keuchend, vor meinen Augen verwirklicht sich mit Zeichen und Wundern die tibetische Warnung, wieviel größer als unsere Worte ist die Kraft eines Wortes von ihr, jede kleine Lüge kann die Welt in Flammen setzen.
Als wir endlich am Auto sind, atmen wir erleichtert auf, ich sage zu ihr, Papa ist schon heimgekommen, seine Tour war doch kürzer, und sie hebt den Kopf, fragt nicht einmal, warum, so klar ist ihr, daß sie keine befriedigende Antwort bekommen wird, sie murmelt nur, toll, er kann mir bei meinen Hausaufgaben in Geschichte helfen.
Völlig erschöpft nach unserem gemeinsamen Ausflug, steige ich hinter Noga die Treppe zur Wohnung hinauf, als ich sehe, wie ihre Beine in der Wohnungstür erstarren, was für ein Schreckensszenario ist vor ihren Augen aufgetaucht, ich nehme die letzten fünf Stufen im Rennen und sehe Udi, der im Wohnzimmer hin und her läuft, ein helles Baby mit halb geschlossenen Augen in den Armen, aus dem kleinen Mäulchen ist Milch auf sein Hemd gelaufen, er wiegt die Kleine und murmelt beruhigend, still, ganz still, ist ja gut, ist alles gut.
Sie ist eingeschlafen, ich habe es geschafft, sie zu beruhigen, verkündet er uns mit einem dümmlichen Lächeln, als hätte er etwas ganz Besonderes vollbracht, ich schaue mich um, wo ist ihre Mutter, und Noga schreit, und wo ist ihr Vater, hat sie überhaupt einen Vater? Udi faucht uns grob an, seid doch ruhig, ich habe eine Stunde gebraucht, bis sie eingeschlafen ist. Ich sehe, wie Nogas Lippen sich verziehen, ich will den Arm um Noga legen, aber sie weicht mir aus und rennt in ihr Zimmer, knallt die Tür hinter sich zu, als würde weit und breit niemand schlafen, doch dann kommt sie sofort wieder herausgerannt und schreit, was soll denn das heißen, in meinem Bett liegt jemand und schläft!
Ich habe dich gebeten, ruhig zu sein, nicht wahr?, schimpft er, kannst du nicht mal ein bißchen Rücksicht nehmen? Du bist wirklich maßlos verwöhnt! Ich beschütze sie sofort, du bist so unsensibel, Udi, wie redest du mit ihr, und das Baby bewegt das kahle Köpfchen, der Mund öffnet sich, und schreckliche Schreie, die sich in dem kleinen Körper verborgen haben, brechen einer nach dem anderen heraus, laut wie aus einem Widderhorn, und Udi wirft uns wütende Blicke zu, weil wir ihm alles kaputtgemacht haben, er murmelt beruhigende Worte in das kleine Ohr, aber es ist zu spät, sie wird nicht weiterschlafen, auch ihre Mutter nicht, mit wirren Haaren taucht sie in der Tür zum Wohnzimmer auf, was ist los, fragt sie, zum ersten Mal sehe ich sie ohne ihre übliche Gelassenheit, und Udi beschwert sich, sie war mir schon auf dem Arm eingeschlafen, aber als die beiden gekommen sind, ist sie aufgewacht. Sohara geht auf ihn zu und nimmt ihm das Baby aus dem Arm, das war nicht nötig, sagt sie, wir haben abgemacht, daß du mich rufst, wenn sie weint, bestimmt hat sie Hunger, und er sagt, mir gefällt es, ihren Hunger zu besiegen, auch mit Noga bin ich immer stundenlang herumgelaufen, damit Na’ama schlafen konnte, und Noga schaut mich fragend an, stimmt das, Mama? Natürlich, sage ich, all seine Hemden hatten weiße Flecken auf den Schultern, und sie senkt die Augen, als vergrößere diese Auskunft ihren Kummer nur noch.
Du hast Hunger, meine Süße, Sohara setzt sich schnell auf das Sofa und
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