Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Umgangsformen, ich hatte das Bedürfnis, mich bei ihr zu bedanken, und wenn ihr das nicht angenehm ist, so ist das ihre Sache, nicht meine, und ich öffne wütend den Kühlschrank, wieder haben wir keinen Salat mehr, er lungert den ganzen Tag zu Hause herum und kommt nicht auf die Idee, etwas einzukaufen, ich muß alles allein machen, nach der Arbeit, und ich fauche ihn an, warum bist du nicht mal beim Laden vorbeigegangen, wenn du schon stundenlang draußen herumgelaufen bist, es gibt nichts zum Abendessen, und er sagt, ich habe sowieso keinen Hunger. Und da platze ich wirklich, großartig, daß du keinen Hunger hast, und was ist mit uns? Du kannst nicht nur an dich selbst denken, du bist Teil der Familie, ob du willst oder nicht, und er murrt, ich soll also hungrig sein, wenn ihr Hunger habt?
Du mußt an uns alle denken, fahre ich ihn an, abends braucht man etwas zu essen, das ist doch nicht so schwierig, oder, und er bellt zurück, du mit deinen bürgerlichen Grundsätzen, jetzt fange ich schon fast an zu schreien, was hat das mit bürgerlichen Grundsätzen zu tun? Kinder brauchen etwas zu essen, Leute, die den ganzen Tag arbeiten, haben abends Hunger, und er brüllt, dann eßt doch euer beschissenes Abendessen, halte ich euch etwa vom Essen ab, mit diesen Worten verläßt er die Wohnung, er knallt die Tür hinter sich zu, und ich setze mich bedrückt auf einen Stuhl in der Küche, was habe ich schon gesagt, ist das zuviel verlangt, hoffentlich hat Noga uns nicht gehört, ihre Zimmertür ist zu, dahinter hört man den Fernsehapparat plärren. Auch mir ist nun der Appetit vergangen, man kommt auch ohne Abendbrot aus, ich lehne mich mit dem Rücken an den Kühlschrank, plötzlich fängt er an zu vibrieren, wieviel Zeit habe ich noch, bis Noga in die Küche kommt und fragt, wann wir essen, nicht viel, aber diese Zeit brauche ich, um einfach dazusitzen und in aller Ruhe dem Surren des Kühlschranks zu lauschen, und als er ein paar Minuten später mit den Tüten hereinkommt, freue ich mich, als hätte ich ein wunderbares Geschenk bekommen, sofort bin ich versöhnungsbereit, so schlimm ist er ja gar nicht, vermutlich hat ihn irgend etwas anderes verärgert, vielleicht mein Telefonat mit Sohara, er wollte nicht, daß ich mit ihr spreche, sinnlos, ihn zu fragen, warum, Hauptsache, daß er schon Tomaten und Gurken schneidet, statt sich zu entschuldigen. Gut, daß er zurückgekommen ist, gut, daß ich jetzt nicht allein Noga gegenübersitzen muß, sie ist noch immer traurig und er noch immer angespannt, seine Kieferknochen bewegen sich kräftig, während er kaut und dabei ein unangenehmes knirschendes Geräusch erzeugt, ich warte schon auf den Moment, da beide ins Bett gehen, sosehr bedrücken sie mich, ich stelle mir vor, wie ich mich auf den Balkon setzen werde, die duftende Wäsche um mich herum, ab und zu wird ein leerer Ärmel über mein Gesicht streichen, denn er stopft auch die Winterkleidung in den Wäschekorb, Kordhosen und langärmlige Hemden, ein paar Pullover.
Zwischen den feuchten Wäschestücken atme ich erleichtert auf, wie angenehm ist diese leere abendliche Stille, wenn es schon nichts mehr gibt, was einen enttäuschen könnte, da sehe ich ein Hemd und eine Hose näher kommen, als wären ihnen Arme und Beine gewachsen, ja, es sind seine Arme und seine Beine, er steckt in seinen Kleidungsstücken, ich bin so daran gewöhnt, um diese Uhrzeit leere Hosenbeine und leere Ärmel zu sehen, daß ich ihn anstarre wie ein Wunder, und in diesem Moment läutet das Telefon, noch bevor ich ihn fragen kann, warum er nicht schläft. Ein kindliches Weinen dringt aus dem Hörer, Na’ama, jammert sie, und ich frage, Chani, was ist passiert? Sie weint, ich habe das Kind schon bekommen, man hat mich ins Krankenhaus gebracht, nachdem du weggegangen bist, und ich schreie, herzlichen Glückwunsch, wie war die Geburt? Aber sie reagiert nicht darauf, sie weint nur, der Pullover ist kaputt, Ilana hat ihn kaputtgemacht. Bist du sicher, frage ich erschrocken, woher willst du das wissen? Und sie sagt, ich habe ihn gerade aus meiner Tasche genommen, um ihn meiner Kleinen anzuziehen, und er ist aufgetrennt, nur Fäden sind übriggeblieben, ich bringe sie um, diese Hexe. Chani, beruhige dich, sage ich, ich bringe dir morgen so einen Pullover, ich gehe von Geschäft zu Geschäft, bis ich so einen gefunden habe, so einen gibt es nicht, schreit sie, ich habe ihn selbst gestrickt, ich gebe mein Baby ohne diesen Pullover nicht her, noch nie
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