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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Gurken und die Paprikaschoten, die er mir zur Erinnerung dagelassen hat, aber sie sind nicht für mich, sie stehen auf seiner Seite, ich brauche etwas Warmes, Tröstliches, das mich von innen umhüllt, ich nehme die Milch, suche Haferflocken und mache mich daran, mir einen Brei zu kochen, müde rühre ich in dem Topf, der immer heißer wird, ich bin erschöpft, aber der Haß wird mich nicht schlafen lassen, er wird mich jede Stunde aufwecken wie ein schreiendes Baby, mir ist jetzt klar, daß ich nie wieder richtig schlafen werde, nie wieder werde ich die Augen zumachen, so werde ich einen Tag nach dem anderen vom Rest meines Lebens verbringen.
    Über dem dampfenden Topf versuche ich zu erraten, wie lange es wohl noch dauert, bis ich mich von diesem Leben verabschieden kann, das so schwer geworden ist, drückend wie eine Strafe, mit der ich mich abfinden muß, mindestens zehn Jahre, denke ich enttäuscht, bis Noga zwanzig ist, und dann werde ich wieder zornig auf sie, weil ich ihretwegen weiterleben muß, noch eine Nacht und noch eine Nacht ohne Schlaf, ohne sie hätte ich meinen Magen schon mit Tabletten füllen und dieser Qual ein Ende bereiten können, wie kann man leben, wenn einem die Liebe weggenommen wird, das ist es doch, was er tut, er schält mir die Haut seiner Liebe vom Körper, und auch wenn sie nicht immer fühlbar war, so war ihre Existenz doch lebenswichtig, schließlich spüren wir auch nicht die Erdumdrehungen.
    Wieder dringt mir der Geruch verbrannter Streichhölzer in die Nase, vielleicht habe ich eines in Nogas Zimmer vergessen, und es geht jetzt in Flammen auf, aber nein, es ist der Brei, der im Topf schon anbrennt, sogar Brei kann ich nicht kochen, ich versuche ihn, er schmeckt ekelhaft schwarz, als wäre er aus Kohle zubereitet, aber es ist mir egal, Hauptsache, mein Bauch füllt sich, ich esse direkt aus dem Topf, ich atme die bitteren Dämpfe, mein ganzer Mund ist eine große Brandwunde, vor lauter Schmerz kann ich den Schmerz nicht fühlen, erst wenn ich aufhöre, werde ich ihn fühlen, aber ich höre nicht auf, ich kratze den Boden sauber, bis schon nichts mehr zum Kratzen da ist, dann gehe ich ins Bett, vielleicht läßt mich das Sättigungsgefühl einschlafen, ich muß schlafen, zögernd tasten meine Hände zwischen meine Beine, vielleicht beruhigt mich das, und ich kann schlafen, aber eine Welle von Übelkeit steigt in mir auf, als ich in das Gewirr meiner Schamhaare greife, eine Art gelocktes Bärtchen, ein haariges, verborgenes Tier, das gekränkt die Lippen verzieht, das gehört ihm, es erinnert mich an ihn, seine Finger, seine Zunge, was habe ich damit zu tun, ich renne zur Toilette, beuge mich über die Kloschüssel, und eine heiße Breiwelle bricht aus mir hervor, als spuckte ein Drache demjenigen, der ihn töten will, das Feuer seines Hasses entgegen.

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    15
    Er wird hier nicht mehr stinken, erzähle ich mit schriller Stimme dem aufgerissenen Mund der Kloschüssel, die sein Wasser immer verschluckt hat, Tag für Tag, Jahr für Jahr, die ihn demütig betrachtet hat, wenn er mit herausgezogenem Glied vor ihr stand und ihren Porzellanrand mit gelblicher Flüssigkeit bespritzte, er wird eine andere Kloschüssel haben, in die er pinkelt, und schon vermischt sich die Kränkung der Kloschüssel mit meiner eigenen, sie lassen sich nicht mehr trennen, die Kränkung des Porzellans, das den Abfluß umgibt, der Scheibe in der Tür, die bei einer der Streitereien zerbrochen ist, des notdürftig mit einem Klebestreifen reparierten Sprungs, der Handtücher, die an den Haken mit den gereckten Hälsen hängen, die Kränkung dieser ganzen verlassenen Wohnung, der Möbel, die ich seit Jahren auswechseln will, der staubigen Teppiche, der zahllosen Gegenstände, nützlichen und überflüssigen, die sich im Lauf der Jahre angesammelt haben, und weit, weit über allem ragt die Kränkung Nogas. Wie ein Orchester, das die leiseste Bewegung eines fordernden Dirigenten beobachtet, so schauen wir alle hinüber zu dem dunklen Zimmer, aus dem Brandgeruch kommt, als krümmte sich dort ein sterbender Bär und drohte damit, sich in seinem Schmerz zur vollen Höhe aufzurichten und alles zu zerstören.
    Mit fast geschlossenen Augen schiele ich zur Uhr, es ist gerade mal eine Stunde vergangen, seit er das Haus verlassen hat, wenn diese Stunde sich so lange hinzieht, wie lange wird dann die ganze Nacht dauern, die kommenden Nächte, das ganze Leben, ich richte mich mühsam auf, wie werde ich diese Nacht verkürzen,

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