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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Freunde verzichtet, auf Freundinnen, auf ein zweites Kind, und einen Moment lang bin ich sicher, wenn ich jetzt ein zweites Kind hätte, wäre alles anders, dann wären wir zu dritt, Noga und ich und der Kleine, drei sind eine Familie, während zwei nur ein verdammter Trost sind, und schon spüre ich neben mir das Kind, das nicht geboren wurde, seine runden, weichen Arme und Beine, mit seiner kindlichen Kraft klettert es auf mich, streichelt mir die Haare, legt sich auf meine Brust, und ich drehe mich um, ich habe das Gefühl, als lägen wir am Strand und angenehm warmer Sand würde mich bedecken, und Udi kommt aus dem Wasser, schüttelt seine salzigen Haare über mir und lacht, schau mal, was ich dir mitgebracht habe, er hält mir die Hand hin, aber die Sonne blendet mich, und ich sehe nicht, was er mir zeigen will, was ist es, frage ich vollkommen blind, und er sagt, du siehst es nicht, du siehst nicht, wie sehr ich dich liebe, und ich schreie, das Baby, paß auf das Baby auf, daß es nicht ins Meer läuft, es hat keine Angst, und Udi lacht, was für ein Baby, hier gibt es kein Baby, nur dich und mich, denn ich liebe dich für immer, glaub mir nicht, wenn ich dir einmal sage, daß es nicht so ist, und ich ersticke fast vor Glück, wälze mich im Sand wie eine riesige Katze, es ist mir egal, daß ich blind bin, Hauptsache, daß ich für immer geliebt werde. Wie gut es tut, das zu hören, flüstere ich, den Mund voll Sand, ich habe nämlich gerade geträumt, daß du aufgehört hast, mich zu lieben, du kannst dir nicht vorstellen, wie ich geweint habe, der Meeresspiegel ist angestiegen von meinen Tränen, und er lacht verächtlich, sein Lachen klingt mir in den Ohren. Hör auf zu lachen, das ist überhaupt nicht lächerlich, sage ich, aber er hört nicht auf, durch die geschlossene Tür klingelt es, ich wache erschrocken auf, es ist schon zwölf, das Telefon hört nicht auf zu klingeln, ich habe vergessen, bei der Arbeit Bescheid zu sagen, bestimmt suchen sie mich, es ist besser, nicht zu antworten, aber vielleicht ist es Udi, vielleicht kommt er aus meinem Traum zu mir, wie konntest du nur glauben, daß ich aufgehört habe, dich zu lieben, wird er lachend sagen, und ich nehme den Hörer auf, fast gelähmt vor Erwartung, und eine laute, unbekannte Stimme schallt mir entgegen, hören Sie, Ihre Tochter ist krank, kommen Sie schnell, um sie heimzuholen. Wer spricht, was ist mit ihr los, ich beiße fast in den Hörer, und die Stimme schreit, ich rufe aus dem Sekretariat an, sie hat fast vierzig Fieber, ich habe ihr Paracetamol gegeben, aber das Fieber geht nicht runter, wir versuchen schon seit einer Stunde, Sie zu erreichen, und ich werfe mir ein abgetragenes Hauskleid über und renne los, wie ich bin, ohne mich zu kämmen und ohne mir das Gesicht zu waschen, naß vom Schweiß des Traumes, und fahre mit fast geschlossenen Augen durch die blendenden Straßen.
    Sie kauert in einem Sessel im Sekretariat, ihre Wangen sind glühend rot, und ihre Augen glänzen, als wäre sie liebeskrank, ihr großgewachsener Körper hat sich plötzlich zusammengezogen, ich nehme sie in den Arm, küsse sie auf die heiße Stirn, ich habe ihr eine zweite Tablette gegeben, aber es hilft nichts, berichtet die Sekretärin aufgeregt, so wenig wie Schröpfgläser bei Toten, lächelt sie mit dunkelrot gemalten, fast schwarzen Lippen. Hat jemand sie untersucht, frage ich, gibt es hier keine Krankenschwester? Sie sagt, leider ist sie gerade heute nicht im Haus, einfach Pech, sie betrachtet mich mißtrauisch, wir haben Sie überall gesucht, bei Ihrer Arbeit haben sie gesagt, Sie wären heute nicht gekommen, und bei Ihnen zu Hause ging niemand ans Telefon. Ich hatte etwas zu erledigen, murmele ich, aber ihr wachsamer Blick mustert zweifelnd meine wirren Haare, das abgetragene Kleid, meine geschwollenen Augen, und ich krümme mich unter ihrem Blick, so klar ist es, daß ich diese Nacht verlassen worden bin, daß ich eine Frau ohne Mann bin, eine Frau ohne Daseinsberechtigung, jeder kann mich demütigen.
    Komm, Nogi, gehen wir nach Hause, sage ich leise, mit vielversprechender Stimme, als wäre unser Zuhause ein sicherer, heilsamer Ort, und sie hebt die Augen zu mir und fängt an zu weinen, ich kann nicht gehen, ich kann nicht auf den Beinen stehen, und die Sekretärin sagt, sie war die ganze Zeit wirklich heldenhaft, aber wenn die Mama kommt, will man gleich weinen, stimmt’s, Süße, es gefällt uns, der Mama Sorgen zu machen. Ich bücke mich und

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