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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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wie werde ich den Schlaf finden, der mich trösten kann, vielleicht hilft eine heiße Dusche, aber der heiße Wasserstrahl erschlägt mich, ich kann kaum auf den Beinen stehen, ich lehne mich schwankend an den Plastikvorhang, wie habe ich es immer genossen, hier im Dunkeln zu duschen, wenn wir miteinander geschlafen hatten, wenn er dann hereinkam, schenkte er mir ein Lächeln, das ich im Dunkeln nicht sehen konnte, ich fühlte es nur mit meiner nackten Haut, und jetzt wasche ich angewidert meinen Körper, diesen Körper, der abgelehnt worden ist, was habe ich mit ihm zu tun, es war Udi, der immer zwischen mir und ihm vermittelt hat, er war es, der ihn geliebt hat, und jetzt, ohne seine Vermittlung, ist er mir fremd geworden, ich weiche sogar davor zurück, ihn einzuseifen, die stachelige Achselhöhle, die sich zur schweren Brust hinuntersenkt, den Bauch, der einmal straff war und jetzt weich geworden ist, die vollen Oberschenkel und das große Grauen zwischen ihnen, und schließlich die platten Füße, breit wie die einer Ente, Füße, die immer zum Streit zwischen ihm und mir geführt haben, weil ich langsam ging und er vorwärts stürmte, ich richte den fast kochendheißen Wasserstrahl auf sie, und sie zucken in die Höhe, wie sie es auf heißem Sand tun, aber das ist mir egal, ihr Schmerz ist nicht meiner, und auch das Brennen gehört zur Kehle, nicht zu mir, und zwischen dem Schmerz ganz unten am Körper und dem oben gibt es nur ein wackliges Gerüst mit rostigen Nägeln, der Schmutz der Erniedrigung, den keine Seife abwaschen kann, wie konnte das passieren, er ist einfach aufgestanden und mit seinem Rucksack weggegangen, als wäre er frei, als wäre ich ein Ort auf einer verstaubten Landkarte, von dem man einfach weggehen kann, ein trockener Wadi, den man besser hinter sich läßt, und er hat alles mitgenommen, was einmal mir gehört hat, alles, von dem ich annahm, es gehöre mir. Wenn ich nur wüßte, wo er jetzt ist, ich würde hingehen, ohne mich auch nur abzutrocknen, ich würde ihn überreden, ich würde ihm drohen, das ist doch eindeutig ungesetzlich, was er da tut, für weniger als das wird man ins Gefängnis geworfen, es ist verboten, eine Frau und eine Tochter nach so vielen Jahren zu verlassen.
    Manchmal hat er mich mit einem ausgebreiteten Handtuch erwartet, hat mich eingehüllt wie ein Baby, es wäre mir nie eingefallen, daß das zu Ende gehen könnte, ich dachte nicht, daß mir dieses bißchen Luxus genommen werden könnte, und wieder springt mir das Weinen aus der erschrockenen Kehle, es schien schon verschwunden zu sein, da ist es plötzlich wieder da, hat sich zwischen den Laken verborgen, lauert mir auf, weil ich allein bin, hilflos und ohne Schutz, eine leichte Beute, eine Schnecke ohne Haus, eine schleimige Nacktschnecke, und ich decke mich mit dem feuchten Handtuch zu, der Schlaf wird nicht kommen, er wird mir keinen Moment der Gnade schenken, aber vermutlich ist er schließlich doch gekommen und sogar zu lange geblieben, denn plötzlich taucht Nogas blasses Gesicht über mir auf, Mama, es ist schon spät, sagt sie, und ich fahre hoch, schlage mit meinem Kopf fast gegen ihren.
    Ich erschrecke, was ist mit dem Brief, ich habe ihn nicht verschwinden lassen können, prüfend betrachte ich ihr Gesicht, was weiß sie, sie sieht besorgt aus, aber so sieht sie in letzter Zeit immer aus, ihre Augen stehen weit auseinander, wie zwei Trauben, die auf einem Teller auseinandergerollt sind, ohne jede Verbindung, und sie wendet den Blick von mir ab und läuft zurück in ihr Zimmer. Schwerfällig stehe ich auf, mein ganzer Körper tut weh, als hätte ich die Nacht mit Ringkämpfen verbracht, mein Gesicht ist geschwollen, mein Mund trocken, mit einem bitteren Geschmack, ich will nur weiterschlafen, sie in die Schule schicken und zurückgehen ins Bett, aber sie ist noch nicht angezogen, sie sitzt im Pyjama auf dem Bett, ein großes Mädchen, umgeben von Stofftieren und Clowns, ich frage tastend, ist alles in Ordnung, Nogi? Aber sie antwortet mir nicht, bestimmt weiß sie es schon, sie hat diesen verdammten Brief vor mir gefunden, ich schleppe mich in die Küche und koche mir einen Kaffee, betrachte die leere Wohnung, Udi ist nicht da, das läßt sich nicht verbergen, die Sonne scheint schon auf den Balkon, kreuzigt ihn mit spitzen Strahlen, dringt in alle Ecken der Wohnung, offenbart sein Fehlen.
    Noga, komm zum Frühstück, rufe ich, stelle den leeren Teller an ihren Platz, und da kommt sie, noch immer

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