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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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angespannt sie ist, ihre Augen funkeln nervös, sie schaut auf die Uhr, und ich gehe mit einer Zigarette hinaus auf den Balkon, ich setze mich an das Geländer, trotz der Hitze, von da aus habe ich den Überblick und kann alles sehen, kurz bevor sie es sieht.
    Unten höre ich Lachen, ich beuge mich vor, da sind Schira und Meiraw, Nogas Kinderfreundinnen, heiter plappernd kommen sie näher, ich seufze erleichtert, wenigstens sie kommen, aber zu meinem Entsetzen gehen sie an unserem Haus vorbei und laufen weiter, fast schreie ich ihnen hinterher, kommt zum Geburtstag, enttäuscht sie nicht so sehr, aber sie sind schon unten am Hang verschwunden, vielleicht wollen sie ja nur noch ein Geschenk kaufen und kehren gleich zurück, ich versuche, mich zu trösten, und wieder sind auf der Straße Kinderstimmen zu hören, ich beuge mich vor, um besser sehen zu können, es sind einfach kleine Kinder, die uns nicht retten werden, und schon fange ich innerlich an, mich zu beschimpfen, was hast du dir eingebildet, daß ein Geburtstag alle Probleme auslöscht, er macht sie nur noch deutlicher, schon seit einem Jahr ruft keiner an, um sie einzuladen, schon seit einem Jahr kommt keiner zu ihr, hast du etwa gedacht, sie würden aus Mitleid kommen, aus Höflichkeit, so etwas gibt es bei Kindern nicht, und vielleicht ist es ja gut, daß es das nicht gibt, ich drehe mich um und sehe sie in der Balkontür stehen, sie beobachtet meine Nachforschungen, niemand kommt, sagt sie so leise, daß keiner ihre Niederlage hören kann, es ist schon halb fünf.
    Warum kommen sie nicht, Noga, frage ich mit einem traurigen Lächeln, und sie senkt die Augen, weil sie mich nicht mögen, und ich frage, aber warum? Ich weiß es nicht, sagt sie, was sie interessiert, interessiert mich nicht, was sie komisch finden, finde ich nicht komisch, und ich trete zu ihr, was findest du komisch, Nogi? Sie sagt, das da finde ich komisch, und deutet auf die aufgeräumte Wohnung, auf die erwartungsvoll aufgeblasenen Luftballons, auf die Teller mit den Leckereien, und schon verwandelt sich ihr Lachen in einen trockenen Husten, ich hole ihr ein Glas Wasser, helfe ihr beim Trinken, weil ihre Hände zittern, und sie stöhnt, ich fühle mich nicht wohl, ich möchte ins Bett. Schweigend führe ich sie zu ihrem Bett, lege sie zwischen die Scheren und Buntpapierrollen, gebe ihr einen Kuß auf die hohe Stirn, die jetzt mit Schweiß bedeckt ist, und da wird plötzlich an die Tür geklopft, sie zuckt zusammen, versteckt sich unter ihrer Decke, mach nicht auf, Mama, fleht sie, es ist besser, daß niemand kommt, statt daß zwei oder drei kommen und sehen, daß außer ihnen niemand da ist.
    Eigentlich stimme ich ihr aus vollem Herzen zu, wer hat jetzt schon genug Kraft, um vor einem oder zwei Kindern ein fröhliches Gesicht zu zeigen, aber das Klopfen läßt nicht nach, es wird immer stärker, jemand ist überzeugt, daß wir zu Hause sind, ich nehme ihre Hand und ziehe sie hoch, komm, machen wir auf, Nogi, du hast keine Wahl, du hast eingeladen, du kannst nicht mittendrin zurück, und sie folgt mir zögernd, sag doch, ich wäre krank, fleht sie mich an, sag, daß alles abgesagt ist und wir nur vergessen haben, Bescheid zu geben, das kann dir doch egal sein, aber ich bleibe stur, sag du, daß du krank bist, ich kann es dir nicht abnehmen.
    Hand in Hand gehen wir auf die Tür zu, Noga öffnet sie langsam, und die Ballons, die wir draußen an der Klinke festgebunden haben, spähen herein wie eine Horde neugieriger Kinder, und zwischen ihnen leuchten uns sandfarbene Augen entgegen, und dann ist ein braungebranntes nervöses Gesicht zu sehen, und Noga nähert sich ihm langsam und ungläubig, als fürchte sie, sein Gesicht könne zerplatzen wie ein Luftballon, doch da erscheint ein Lächeln auf ihren Lippen und wird langsam breiter. Ich betrachte den schmalen Türrahmen, der sich mit seinem Körper füllt, und hinter seinen hohen, spitzen Schultern, hinter ihrer langen, schweigenden Umarmung, die vor meinen Augen immer inniger wird, zwei Wachspuppen, die ineinander verschmelzen, dringt das einfache Licht eines Sommernachmittags herein, das Licht des gewöhnlichen Alltags, ohne Pracht, ohne Hoffnungen, den Abend verkündend, der schon auf dem Weg zu uns ist und an seinem Ende das Zepter der kühlen Nacht trägt und die goldenen Blätter der Pappeln bewegt, und abgesehen davon gibt es nichts, was man mit Sicherheit wissen kann, es scheint, als wären keine Versprechen mehr nötig, weder vom

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