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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Kuchen, und ich halte ihr meine leeren Hände hin, vergessen, ich war so durcheinander, daß ich alles andere vergessen habe, und sie legt ihre Hände auf meine, das macht nichts, es geht auch ohne Verzierung, und ich umarme sie, drücke sie fest an mich, Nogi, mein Schatz, ich habe dich so lieb, und sie sagt, ich dich auch, ich bin froh, daß du mich nicht weggegeben hast.
    Ich nehme das Telefon mit ins Schlafzimmer und mache die Tür hinter mir zu, eine autoritäre heitere Stimme antwortet mir, was für Kräfte hat diese Frau, sogar am Ende eines Arbeitstages ist sie noch energisch, und ich schluchze, Chawa, ich wollte mich bei dir bedanken, ich bin dir sehr dankbar für das, was du für mich getan hast, du hast mir das Leben gerettet, und sie sagt erstaunt, Na’ama, ich habe gerade an dich gedacht, sie fragt noch nicht mal, wofür ich mich bei ihr bedanke, und ich verstehe, daß wir nie ein Wort darüber verlieren werden. Warum hast du an mich gedacht, frage ich, und sie sagt, gerade hat Chani angerufen, weil sie dich sucht, sie kommt nicht zurecht, sie kommt einfach nicht auf die Beine. Ich bin überrascht, daß sie so etwas zu mir sagt, denn bei uns ist es üblich, die Mädchen nach ihrer Entlassung an eine Sozialstation in ihrem Wohnviertel zu verweisen, um sie von uns gleichsam abzunabeln, von der lebendigen Erinnerung an den Verzicht auf ihr Kind, traurig denke ich an Chani, sie hat mich damals, in jener Nacht, angerufen, in den Händen den aufgetrennten Pullover, den sie gestrickt hatte, ich habe mein Versprechen nicht gehalten, ich habe ihr keinen neuen Pullover gebracht, und plötzlich möchte ich sie unbedingt sehen, es gibt so vieles, was ich ihr zu sagen habe, ich hätte sie auch nach der Trennung von ihrem Kind begleiten müssen. Wie können wir die Mädchen einfach davonschicken und nicht mehr nach ihnen schauen, das Schlimmste erwartet sie doch erst draußen, man muß ihnen ihre Schuldgefühle nehmen, damit sie sich nicht ihr ganzes Leben lang dafür bestrafen, durch Kinderlosigkeit oder eine unglückliche Ehe.
    Wie geht es zu Hause, fragt Chawa, wie geht es deiner Tochter, und ich wundere mich, warum ausgerechnet sie, die immer so beschäftigt ist, heute plaudern möchte. Meiner Tochter geht es gut, antworte ich, sie hat morgen Geburtstag, und sie sagt in einem so nachdrücklichen Ton, herzlichen Glückwunsch, als handle es sich um eine große Leistung, dann fragt sie, und was ist mit Udi, und ich antworte, Udi ist im Ausland, ich habe schon eine ganze Weile nichts von ihm gehört, und sie sagt, denk dran, man darf sich nur unter der Bedingung umschauen, daß die Füße vorwärts gehen, und ich sage, mach dir keine Sorgen, Chawa, er wird nicht zurückkommen.
    Darum geht es überhaupt nicht, schimpft sie, es geht darum, ob du dir erlauben würdest, zu solchen Verhältnissen zurückzukehren, und ich unterbreche sie, du wirst mir kaum glauben, aber das interessiert mich überhaupt nicht, mir kommt es vor, als sei ich überhaupt noch nicht bereit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, und sie seufzt befriedigt, ich habe ja gewußt, daß du stärker bist, als du glaubst, nur merke dir, daß eine Veränderung nie abgeschlossen ist, es ist ein täglicher Kampf, du darfst nicht zulassen, daß irgend jemand dein Leben in Beschlag nimmt, vergiß das nicht, sie spricht die Worte mit einem Pathos, als wolle sie sich für immer von mir verabschieden, und ich spüre plötzlich einen Stich der Sorge, Chawa, frage ich, geht es dir gut, ist bei dir alles in Ordnung?
    Ich gehe heute abend ins Krankenhaus, zu einer Operation, sagt sie gelassen, ich werde ein paar Wochen nicht hiersein, und ich schreie fast, ist es etwas Schlimmes? Und sie sagt, du meinst etwas, von dem man vielleicht nicht wieder gesund wird, ich weiß es nicht, ich bin immer optimistisch. Ich presse die Lippen an den Hörer, es tut mir so leid, Chawa, ich habe nicht gewußt, daß du krank bist, und sie sagt, niemand hat es gewußt, es zieht sich schon ein paar Jahre hin, und ich frage, kann ich dir bei irgend etwas helfen?
    Ja, sagt sie, ich möchte, daß du zurückkommst, Annat schafft es nicht ohne dich, wir brauchen hier im Heim deine Seele, und ich seufze verächtlich, meine Seele hat mir nur Schwierigkeiten gebracht, ich versuche gerade, sie loszuwerden, und sie ruft, hüte dich vor solchen Ideen und vernachlässige nicht die Gaben, die du hast, auch wenn sie dir Probleme schaffen, und ich schweige, ich sehe das schöne, geheimnisvolle Haus vor mir,

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