Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
Küche umgebe ich mich mit Zucker und Kakao, mit Eiern, Milch und Mehl, schweigend bereite ich den Geburtstagskuchen zu, einen herzförmigen Schokoladenkuchen, wie sie es sich gewünscht hat, und die Wohnung füllt sich mit dem durchdringenden vertrauten Geruch, erst am Abend merke ich, daß ich vergessen habe, Verzierungen für den Kuchen zu kaufen, und laufe schnell zum Supermarkt, aber vor dem Regal kann ich mich nicht entscheiden, was ich nehmen soll, bunte Bonbons oder Marzipanbärchen oder vergoldete Herzchen, aber vielleicht ist das übertrieben, Herzchen auf einem herzförmigen Kuchen. Etwas trifft mich plötzlich hart in den Kniekehlen, so daß ich mit der Stirn ans Regal schlage, ich drehe mich schnell um, um mich bei der jungen Frau zu beschweren, die mich mit ihrem Wagen angestoßen hat, doch dann bemerke ich, daß es sich nicht um einen Einkaufswagen handelt, sondern um einen Kinderwagen, genau in diesem Moment fängt das Baby an zu weinen. Ich senke den Blick schnell zu Boden, ich darf solche Dinge nicht sehen, sonst erinnere ich mich an Ja’el, und sofort schüttle ich mich, kommt es mir nur so vor, oder ist die Frau tatsächlich Ja’el, ihre Haare haben eine andere Farbe, ein sanftes Honigbraun statt des schreienden Rots, an ihrem gebeugten Körper kann ich nicht erkennen, ob sie es ist oder nicht, es könnte ja sein, daß sie ihre Meinung geändert und den kleinen Micha zu sich genommen hat, um für immer seine Mutter zu sein. Ich folge ihr heimlich, spähe aufgeregt zwischen den Regalen hindurch, habe Angst, gesehen zu werden, wohin ist sie verschwunden, ich schaue in alle Gänge, aber sie ist nicht da, ich bin schon enttäuscht, da sehe ich sie an der Kasse, in engen Jeans und einem T-Shirt, so schmal, als hätte sie nie ein Kind geboren, sie stellt nacheinander Milchprodukte auf den Tisch, daneben Babyflaschen, Windeln, Waschmittel, ist sie es oder ist sie es nicht, doch als sie zu mir herschaut, habe ich keinen Zweifel, solche Augen hat nur sie, und ich erstarre zwischen den Regalen, bis sie sich entfernt hat, dann fliehe ich von dort, ich renne den ganzen Weg nach Hause, ich weine, ich flattere in der Sommerluft wie ein Insekt mit zerbrochenen Flügeln, und als ich unsere Straße erreiche, setze ich mich auf die Bank in der Anlage, versuche, mich zu beruhigen, bevor ich hinaufgehe, meine Freude mischt sich mit wilder Angst, als wäre ich gerade knapp einem Verkehrsunfall entgangen, und erst jetzt erlaube ich mir daran zu denken, wie schlimm es hätte sein können. Sie hat das Kind nicht weggegeben, sie zieht es auf, die Katastrophe, die ich fast über sie gebracht hätte, ist verhindert worden, Chawa hat es geschafft, den Schaden wiedergutzumachen und Ja’els Entscheidung zu ändern, aber warum hat sie mir das nicht gesagt, ich hätte einfach ewig so weiterleben können, ohne es je zu erfahren.
    Ich schleppe mich die Treppe hinauf, mache die Tür auf und sehe Nogas erstauntes Gesicht, was ist passiert, fragt sie, und ich murmele, gar nichts, dann lege ich mich aufs Sofa und breche in Tränen aus, es ist etwas Gutes passiert, schluchze ich, ich bin durch ein Wunder gerettet worden, aber sie gibt sich nicht zufrieden, Mama, erzähl mir alles, morgen werde ich immerhin zehn, du kannst es mir erzählen. Ich habe ein Mädchen vom Heim nicht richtig beraten, sage ich, ich habe Angst gehabt, ich wäre der Grund dafür, daß sie auf ihr Kind verzichtet hat, und jetzt habe ich sie mit dem Kind gesehen. Sie betrachtet mich erstaunt, fast verächtlich, ich verstehe nicht, warum du dich beschuldigen konntest, auch wenn sie auf ihr Kind verzichtet hätte, wäre es nicht deinetwegen gewesen, diese Entscheidung ist viel zu groß, es kann nicht sein, daß ein anderer sie so sehr beeinflußt, hätte jemand dich davon überzeugen können, mich wegzugeben? Nein, schluchze ich, nein, Nogi, aber das ist etwas anderes, ich war erwachsener, als du geboren wurdest, und ich hatte deinen Vater. Und jetzt, ohne Papa, würdest du mich da hergeben, fragt sie ernst und sachlich, mit einem harten Gesicht, als wäre sie bereit, jede Antwort zu akzeptieren, und ich sage, bist du komplett verrückt geworden, mein Leben bedeutet mir nichts ohne dich.
    Hast du wegen dieser Geschichte aufgehört zu arbeiten, fragt sie und verkündet sofort voller Freude, dann kannst du jetzt doch wieder zurück, und ich schüttle den Kopf, ich weiß es nicht, Nogi, ich bin mir überhaupt nicht sicher. Sie fragt, wo sind die Verzierungen für den

Weitere Kostenlose Bücher