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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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mit seinem neuen Freund Jotam los, um die Königin Schabbat zu treffen, die wunderschöne Braut, die jede Woche wieder ihrem Bräutigam angetraut wird, und als mein Blick Michal findet, sehe ich, dass sie zu mir herüberschaut, vermutlich hat sie ihren Sohn zu uns geschickt, und mit meinen Lippen forme ich einen Dank. Zu meiner Enttäuschung reagiert sie nicht darauf, sie starrt vor sich hin, mit leicht geöffnetem Mund, sie scheint meine für sie bestimmten Lippenbewegungen nicht wahrzunehmen, aber über ihre blonden Haare hinweg wirft mir ihr Mann einen fragenden, fast entrüsteten Blick zu, als würde ich mit meinen Zeichen ihre Ruhe stören, und ich wende schnell den Kopf ab, bemüht, nicht mehr zu ihnen hinzuschauen.
    Und die ganze Zeit ist er hinter mir, schweigend, was nicht seine Art ist, und ich achte darauf, nicht weiter nach hinten zu rutschen und mich mit dem Rücken an seine Knie zu lehnen, wie es die meisten Frauen um mich herum tun, sondern eine aufrechte und starre Haltung zu wahren, als wäre dieser Mann gar nicht da, dessen Atem ich an meiner Schulter spüre, und die Luft, die sich in seinen Lungen sammelt, bevor sie warm und stickig aus seiner Kehle gestoßen wird, erweckt meinen Widerwillen, bis auf meiner Haut kleine Nadeln des Widerstands wachsen, ich kann spüren, wie er hinter meinem Rücken forschend und hochmütig seine Umgebung beobachtet, auf dem Rückweg wird er die primitive Zeremonie tadeln, die lächerlichen Lieder, und was das überhaupt solle, die Königin Schabbat zu suchen, was für ein Blödsinn, ich habe dir gesagt, du sollst ihn nicht in dieser Schule anmelden, aber ich muss ihm schon nicht mehr zuhören, ich muss mir nicht mehr anschauen, wie schöne Erinnerungen beschämt aus Gilis Gesicht verschwinden, ich muss ihm nicht mehr gut zureden, vielleicht fangen wir zu Hause auch an, den Schabbat zu empfangen, und ich muss nicht mehr seinen Spott hören, wirklich, Ella, ich wundere mich über dich, was haben wir mit diesen Götzendiensten zu tun, diesem jüdischen Feilschen und Handeln?
    Wie angenehm wird es sein, ohne ihn nach Hause zu kommen, mich mit Gili zu unterhalten, ohne dass er sich ständig in unser Gespräch mischt und hektisch jeden Gedanken laut kundtut, der ihm gerade durch den Kopf geht, in die Zeitung zu schauen, ohne dass er sagt, lass doch diesen Mist, und zu telefonieren, ohne dass er mich unter allen möglichen Vorwänden unterbricht, ja, das Tor fällt für immer und ewig ins Schloß, ich werde ihn nur noch durch das Tor sehen. Ich schaue mich um, die Frauen geben sich stolz, die meisten sind nicht mehr besonders attraktiv, sie sind im Lauf ihres Lebens zu breithüftigen Bäuerinnen geworden, und trotzdem sind sie stolz, ihre Errungenschaft darzubieten, geschrieben mit verschwommenen Zeichen auf der häuslichen Decke, Flecken von Kaffee und Wein, von Urin, Erbrochenem, Teer und Milch, und hinter jedem Fleck verbirgt sich die glückliche Erinnerung an überwundene Krisen, wisst ihr noch, als die Kinder klein waren, sind wir nach Rama gefahren, und das Baby ist fast ertrunken, erinnert ihr euch, wie wir uns einmal in dem arabischen Dorf verirrt haben, was für eine Angst wir hatten. Ich schaue sie herausfordernd an, ihr werdet es nicht glauben, Schwestern, was ich vorhabe, ich plane einen Neuanfang, ein völlig neues Leben, ich will wieder jung und fröhlich sein, ich will nicht mit einem Sack voller fauligem Groll alt und grau werden, mit einer Ergebenheit, die gärt wie Müll, ihr werdet es schon sehen, ich wende mich aufgewühlt und stumm an ein Publikum, das mich nicht wahrnimmt, als würde sich nur vor meinen Augen ein Wunder offenbaren, eine erstaunliche und einmalige Entdeckung, wie die Verwandlung von Sand in Glas, ich habe vor, das Unwandelbare zu verwandeln, die Zeit zu besiegen, die Naturgesetze zu brechen, während sich mein schweigendes Publikum noch in dem primitiven Zustand vor der Erfindung des Feuers befindet, so wandle ich zwischen Hochmut und Elend, worauf wartet ihr, auf eine Beförderung bei der Arbeit, auf den Jahresurlaub, auf eine neue Wohnung, während sich für mich die Zukunft erneut öffnet und ungeduldige Freude vor mir liegt. Den ganzen Tag haben wir kein Wort miteinander gewechselt, von meinem Platz auf dem Sofa aus habe ich seine Bewegungen feindselig beobachtet, mein schmerzender Knöchel hat mich dazu gezwungen, seine Anwesenheit zu akzeptieren, aber jetzt, da der Schmerz ein bisschen nachgelassen hat, ist mein Entschluss mit

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