Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Abreise verfolgten mich, schnaubend und bitter, ich hatte das Gefühl, als stünde er noch vor mir, aggressiv, anklagend, hässlich vor Zorn, nein, das war nicht der Mann, den ich gewollt hatte, das war nicht das Leben, nach dem ich mich sehnte, und sogar ich selbst war erschreckend anders als die Frau, die ich hatte sein wollen, etwas zwischen uns war irreparabel zerbrochen, konnte es sein, dass ich mich mit alldem abfinden musste, dass ich nie mehr ein anderes Leben führen konnte, dass es so schnell zu spät geworden war?
Leise bewegt sich seine Silhouette von einem Zimmer ins andere, er macht die Lichter aus, die Wohnung ist jetzt dunkel und still, wenn jetzt draußen jemand vorbeigeht, wird er sich sicher vorstellen, dass hier eine Familie ruhig schläft, unter wärmenden Decken wegen des Herbstes, die Schlafzimmertür fällt hinter ihm wie selbstverständlich ins Schloss, und ich bin hier, auf dem Sofa, so weit weg von ihnen, als befände ich mich noch in dem Hotel am grau glitzernden Fluss, auf einem anderen Erdteil. Ob so mein Leben aussehen würde, fragte ich mich damals, ob so die Träume meiner Jugend dahinstarben, sie werden ihren Atem mit einem unhörbaren Seufzer aushauchen, Gili wird wachsen, er wird anmutig den Auftrag abwerfen, den ich ihm auferlegt habe, die Lücke zu füllen, deren Größe ich mir nicht habe vorstellen können, und was ist dann, ein neues Kind, eine neue Ausgrabung, eine neue Reise? Eine neue Liebe, die im Geheimen blüht, wie ein Alpenveilchen in den Felsen, schnell vergänglich, nur für ein paar Wochen? Ja, verspreche ich den Schiffen auf dem Fluss, es ist noch nicht zu spät, ich kann noch immer auf mehr hoffen, und ich öffne das Fenster und verkünde mit lauter Stimme, als wollte ich ein großes Publikum überzeugen, das mich vom anderen Flussufer aus betrachtet, es ist aus, meine Damen und Herren, es ist tot und vorbei, für immer aus und vorbei.
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Gesang empfängt uns, zögerlich wie ein Gebet, das nicht erhört wird, das mit schlaffen Fingern an die Tore des Himmels klopft, als wir verspätet den Schulhof betreten und verlegen vor den Familien stehen, die sich in einem bunten Kreis versammelt haben, dicht gedrängt auf Decken und Matten, jede wie auf einer kleinen Arche Noah, und mit leisen Stimmen singen, wir haben noch nicht einmal eine Decke dabei, und Gili klammert sich an meine Hand, Mama, man braucht eine Decke, murmelt er, alle haben Decken mitgebracht, und ich verteidige mich sofort, das habe ich nicht gewusst, niemand hat es mir gesagt, ich schicke einen vorwurfsvollen Blick zu Amnon, als wäre er verantwortlich für dieses Versäumnis, aber er, ungeduldig wie immer, bahnt sich schon seinen Weg weiter, bedeutet uns mit einer herablassenden Handbewegung, ihm zu folgen.
Schabbat Schalom, Familie Miller, verkündet die Lehrerin mit süßlicher Stimme, kommen Sie, setzen Sie sich, damit wir fortfahren können, sie deutet energisch auf den freien Platz neben ihr, und ich ziehe den widerstrebenden Gili hinter mir her, hüpfe mühsam zwischen Ellenbogen und Knien weiter, trete auf den Rand einer ausgebreiteten Decke, gegen eine Flasche, verschütte Wasser, gegen eine offene Tasche voller Windeln, und wir setzen uns alle drei neben die Lehrerin, für jeden ist unser Anderssein durch das Fehlen einer Decke klar zu erkennen, es ist die abgewetzte häusliche Decke, die die familiären Hinterteile von alters her auf sich vereint, die eine gemeinsame Unterlage für die ganze Familie schafft, und nur wir sind anders, wir gehören nicht zu ihnen und nicht zueinander, müssen auf den nackten Bodenplatten des Hofs sitzen, der traurige Gili zwischen uns schaut sich mit scheuem Blick um.
Wir sind die kürzeste Familie, flüstert er mir bekümmert ins Ohr, und ich beeile mich aus alter Gewohnheit, unsere Ehre zu verteidigen, warum kurz, Papa ist sehr groß, und du auch, aber er begründet es sofort, weil wir nur drei sind. Und wirklich, als ich meinen Blick über die vielen fremden Gesichter wandern lasse, entdecke ich auf fast jeder Decke große und kleine Geschwister, Babys und Heranwachsende, oder auch eine Großmutter oder einen Großvater, festlich gekleidet, mit weißen Blusen und Hemden, sogar ein paar friedliche Hunde, und das Anderssein nimmt zu und brennt auf meiner Stirn wie ein Mal, denn wir werden so bleiben, wir sind wie jemand, der in der Blüte seiner Tage stirbt, wir werden nicht mehr wachsen.
Verstocket euer Herz nicht, wie zu Meriba geschah, wie zu Massa
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