Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
es also, was du suchst, kreischt er, einen neuen Vater für meinen Sohn? Du hast einfach den Verstand verloren, ich werde ihn dir wegnehmen, ich werde vor das Rabbinatsgericht gehen und mir das alleinige Sorgerecht geben lassen, und ich lache spöttisch, du machst mir wirklich Angst, ein Egoist wie du will allein ein Kind aufziehen? Und was ist mit deinen Vorlesungen und deinen Aufsätzen, was ist mit deinem Schlaf und deinem Basketball und deinen Freunden? Bis jetzt hast du doch auf nichts verzichtet, wenn du je auf etwas verzichtet hättest, hätten wir uns nie getrennt, ich schieße die vergifteten Pfeile ab, einen nach dem anderen, wie im Fieber, mir scheint, als wäre sein Herz mit groben roten Pinselstrichen auf sein Hemd gemalt, und ich ziele und schieße, bezweifle den Zweck, kann aber nicht aufhören, hat es überhaupt einen Sinn, die Enttäuschungen aufzuzählen, die sich angehäuft haben?
Die untergehende Sonne taucht den Rabenpark in weiche rote Farbtöne, die Wiesen sind rosa wie die Bettwäsche eines Babys, auf dessen Ankunft alle gewartet haben, Amnons Gesicht, das sich mir nähert, ist rot und wund, als habe man ihm die Haut abgezogen. Er versucht es anders, ich habe nicht vor, dich anzuflehen, ich erlaube mir nur, dich daran zu erinnern, dass man eine Ausgrabung nur einmal durchführen kann, hinterher gibt es keine Chance, das Ganze zu wiederholen. Ich gähne demonstrativ, da hast du ja den richtigen Zeitpunkt erwischt, um mir einen Vortrag zu halten, und er reißt die Augen auf, ich warne dich, ich bin nicht so unbeständig wie du, zischt er, wenn ich gehe, gibt es für mich keinen Weg zurück, ich kenne dich, es wird dir noch Leid tun und du wirst zurückkommen wollen, doch dann bin ich schon woanders, merk dir das, wenn ich etwas hinter mir lasse, dann für immer, du hast nicht mehr viel Zeit. Diesmal ist er es, der mir den Rücken zudreht und weggeht, und ich versuche, ihm einen letzten Pfeil nachzuschießen, hör auf, mir zu drohen, die Zeit ist vorbei, in der mich deine Drohungen eingeschüchtert haben, aber diesmal scheint der Pfeil seinen breiten, sich entfernenden Rücken zu verfehlen, er fliegt durch den Park, ja, die Zeit ist vorbei, ruft er, in der jeder Streit ein Loch in mir aufgerissen hat und ich nicht wusste, wohin mit meinem Kummer, in der ich Groll und Feindseligkeiten nicht ertragen konnte, in der ich mich mit dir versöhnen musste, auch wenn mein Ärger weit entfernt davon war zu verlöschen, nie werde ich mich nach dieser Zeit zurücksehnen, lieber lebe ich alleine als so, in solcher Verletzbarkeit dir gegenüber, ja, immer dir gegenüber, nie neben dir.
Lebt ihr auch alle so, wende ich mich schweigend an das provisorische Lager der anderen Mütter, von einem Streit zum nächsten, von einer Beleidigung zur nächsten, von einer Feindseligkeit zur nächsten, in der Erwartung eines Moments der Feuerpause, die in euch die Erinnerung an ferne Liebe weckt, während ihr euch anstrengt, mit knirschenden Zähnen die Familie zusammenzuhalten, müde und enttäuscht und trotzdem aneinander geklammert wie in einem tiefen Schlaf, oder wisst ihr etwas, was mir verborgen ist, vielleicht haben eure Mütter euch ein Geheimnis zugeflüstert, einen Zauber, der von Generation zu Generation weitergegeben wird und von dem nur ich nichts erfahren habe, erzählt mir, was bringt eure Körperzellen dazu, diese Sanftmut zu produzieren, denn das ist es, was uns fehlt, Sanftmut.
In der Ferne erkenne ich eine Frau, die ein Tuch von ihren Schultern nimmt und es über die Schultern ihres Mannes legt, und diese einfache Handlung lässt mich einen Seufzer ausstoßen, ich lehne mich an den Zaun, betrachte die im Kreis sitzenden Körper, die darauf bedacht sind, die Kleinen zu schützen, die sich in ihrer Mitte versammelt haben, es erinnert an die Überreste vorzeitlicher Siedlungen, eine Reihe von Zimmern, aneinander gedrängt und dazu bestimmt, die Menschenherde bei Nacht zu schützen. Ich erforsche sie hartnäckig, suche nach Anhaltspunkten in den fremden Gesichtern, als würden sich Trümmer vor mir auftürmen, um etwas über jenes fremde Leben zu erfahren, dabei sind es doch keine Ruinen, die daraufhin untersucht werden können, ob sie nach der ägyptischen Elle geformt sind oder nach dem griechischen Fuß, ob es sich um eine Kultstätte handelt oder um ein Wohnhaus, ich habe keine Scherben von Stein- oder Tongeschirr vor mir, diese Fundstücke hier sind beweglich, wenn sie aufstehen und gehen, werden sie
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