Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
Gilis leichter Körper, vielleicht habe ich es auch nicht geschafft, sie mit meinem Erwachsenenleben zu verbinden, begnügte mich mit kurzen Besuchen, mit hastigen Telefonaten, ich habe es vorgezogen, sie dort zurückzulassen, neben meinen Eltern, die zwischen den Dächern wie Wäschestücke hängen, die man auf der Leine vergessen hat. Mit schwerem Herzen betrachte ich die vielen Pflanzen auf ihrer kleinen Terrasse, deren Boden bedeckt ist mit abgefallenen weißen Jasminsternen, die einen beinahe quälenden Duft verströmen, und ich erinnere mich mit einem unbehaglichen Gefühl an die treue Geranie, die ich von der Fensterbank gestoßen habe, und überlege, wie ich Gili erklären kann, was geschehen ist, lohnt es sich überhaupt zu klingeln, bestimmt ist sie jetzt, mitten am Tag, nicht zu Hause, und wenn sie da ist, wie sollte sie mir helfen können, wie leicht war es damals, neben ihr auf dem Dach zu stehen, als das Leben erst anfing.
Dünne Geißblattzungen verbergen ihre Türklingel, ich taste nach ihr, überrascht von dem lang anhaltenden Klang, den ich unabsichtlich verursache, wahrscheinlich ist sie nicht zu Hause, aber dann taucht ihr Gesicht vor mir auf, Ellinka, was für eine Überraschung, schön, dich zu sehen, ist etwas passiert? Breite weiße Strähnen durchziehen ihren kupferroten Schopf, dessen Schimmer stumpf geworden ist, ihre nackten Arme, voller als früher, strecken sich mir entgegen, aber in ihren Augen tanzt noch immer die Flamme der Vernunft, der Menschlichkeit, die mich damals, an jenem Abend, empfangen hat, ich falle ihr um den Hals, stöhne in ihren Armen, und ein Strom von Worten bricht aus mir heraus. Ich verstehe nicht, was plötzlich mit mir ist, ich war so sicher, dass ich ihn nicht mehr will, aber in dem Moment, in dem es Wirklichkeit geworden ist, erschrecke ich, die ganzen letzten Monate wollte ich nichts anderes, als ihn aus meinem Leben zu entfernen, und nun, da er weg ist, bin ich in Panik, plötzlich habe ich das Gefühl, dass er mich verlassen hat, nicht ich ihn, und alles tut mir Leid, ich bin wie ein verwöhntes Mädchen, das man zu ernst genommen hat.
Das ist keine Verwöhntheit, sagt sie, nimmt mich am Arm und führt mich zum Sofa, das ist vollkommen natürlich, was du beschreibst, das war nicht anders zu erwarten, eine Trennung weckt Urängste, ganz unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt ist, du musst dich beruhigen, Angst ist ein schlechter Ratgeber, versuche, dich nicht von der Panik bestimmen zu lassen, du musst verstehen, dass das natürlich ist und nicht ein Zeichen für das, was war, oder das, was sein wird, es braucht einfach Zeit, lass dir Zeit, sei geduldig, sagt sie langsam und deutlich.
Aber vielleicht habe ich mich geirrt, alle um mich herum haben mich verurteilt, und nun habe ich meine Sicherheit verloren, ich versuche, mich zu erinnern, warum ich mich so unbedingt von ihm trennen wollte, und auf einmal kommen mir die Gründe so nichtig vor, gar nicht mehr überzeugend, genau wie alle gesagt haben, was heißt es schon, wenn er dir ein bisschen auf die Nerven geht, zerstört man deshalb eine Familie?
Schau, sagt sie und setzt sich gelassen mir gegenüber auf einen Stuhl, es ist klar, dass dich ein sehr starkes Motiv zu diesem Schritt getrieben hat, deshalb stellt sich hier nicht die Frage, ob es ein Irrtum ist, die wirklichen Gründe für eine Trennung zeigen sich oft erst im Nachhinein, wenn wir uns erlauben können, sie zu erkennen, genau wie die wirklichen Gründe für eine Beziehung.
Aber Dina, ich kann mit diesen Zweifeln nicht leben, sage ich, und wenn ich im Nachhinein entdecke, dass ich mich geirrt habe, was mache ich dann? Sag mir, was du denkst, du behandelst doch solche Fälle, hast du auch gedacht, dass wir beide nicht zusammenpassen? Hast du gedacht, wir sollten uns trennen? Um die Wahrheit zu sagen, ich habe gefühlt, dass du mir das sagen wolltest, aber ich wollte es nicht hören. Ich versuche ihr Worte in den Mund zu legen, der plötzlich nackt aussieht ohne das kräftige Braunrot, und als spürte sie es, springt sie auf, geht zu dem kleinen Spiegel im Flur, legt eine dicke Schicht Lippenstift auf, mit dieser geübten Bewegung, die ich zu Hause, vor unserem Spiegel, immer zu imitieren versuchte, während meine Mutter zusah und schimpfte, man könnte meinen, du hättest keine Mutter, dass du dich so an diese Frau hängst.
Das ist es nicht, was ich dir in den letzten Jahren zu sagen versucht habe, sagt sie vorsichtig, ich wollte mit
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