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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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bedrohliche Hitze ausstrahlen, vor der Tür von Dinas Haus wieder.
    Soll ich noch einmal zu ihr gehen, ohne eingeladen zu sein, soll ich, wie ein Stein, der in stehendes Wasser geworfen wird, in die Routine ihres geordneten, einsamen Lebens einbrechen, in dem es weder große Freude noch großen Schmerz gibt, und ich erinnere mich, wie plötzlich auf dem Dach des Nachbarhauses ihre strahlenden kupfernen Haare aufleuchteten, ihre vollen, dunkelbraun geschminkten Lippen stießen genüsslich Rauch aus, und ihre Arme bewegten sich wie bei geheimnisvollen gymnastischen Übungen, als würde sie ihren Körper einseifen, ohne ihn zu berühren, dann drückte sie ihre Zigarette in einem Blumentopf aus und ging zu dem Wohnraum, der auf dem Dach illegal angebaut worden war, eine zusammengehauener Schuppen, und gleich darauf erschien eine Gestalt auf dem Dach, klopfte an die Tür, ging hinein und kam etwa eine Stunde später wieder heraus, dann ging ein anderer hinein, die meisten waren jung, nicht viel älter, als ich damals war, und ich verfolgte ihr Kommen und Gehen, vor allem wartete ich darauf, dass sie selbst wieder herauskommen und ihren vollen Körper in der Sonne dehnen würde. Wie viele Freunde diese Frau hat, wunderte ich mich, so viele Leute besuchen sie, einer nach dem anderen, und einmal erzählte ich meiner Mutter davon, als wir gemeinsam Wäsche auf dem Dach aufhängten, und sie kicherte und sagte, das sind keine Freunde, das sind Patienten, sie ist Psychologin, und diese neue Information erhitzte meine Fantasie nur noch mehr, ich roch die frisch gewaschene Wäsche und stellte mir vor, dass sie mit schmutziger Kleidung kommen und sauber und wohlduftend wieder gehen, und das alles spielte sich ganz in meiner Nähe ab, dort wurden komplizierte Probleme besprochen, Verknotungen, wie die vielen kleinen Knoten in meinen Haaren. Ich stelle mir vor, wie ich mit einem weiten Satz von einem Dach auf das andere springe, an ihre Tür klopfe und sage, als ich ein Kind war, hatte ich keine Mutter und keinen Vater.
    Damals war sie es, die sich an mich wandte, nachdem sie immer wieder versucht hatte, eine Zigarette anzuzünden, und die Streichhölzer eines nach dem anderen im Wind ausgegangen waren, auch das letzte, und ich beobachtete den Kampf, lehnte mich ans Geländer und hörte sie fragen, hast du Feuer? Schnell, bevor sie sich anders behelfen konnte, rannte ich in die Wohnung, holte ein Feuerzeug und warf es mit aller Kraft zu ihr hinüber, und ich traf sie an der Schulter, sie winkte mir dankend zu und zündete sich mit einer kurzen Bewegung ihre Zigarette an, in meinen Augen war das ein Zeichen, dass unser Zusammentreffen schön werden könnte. Wie alt bist du, fragte sie, und ich sagte, sechzehn, und zu meiner Freude sagte sie nicht, so wie alle anderen, ich habe gedacht, du bist höchstens zwölf, sondern fragte, willst du mit mir Gymnastik machen? Und so, mit einer Zigarette im Mund und mit kupfernen Haaren, die fast bewegungslos blieben, begann sie mit ihren Übungen, und ich, zwischen den gespannten Wäscheleinen, machte die Bewegungen nach, bückte mich und bewegte meinen Körper, ohne ihn zu berühren, und so begann ich, auf ihre kurzen Pausen zu lauern, ich lernte, wann ihr letzter Patient sie verließ, und eines Abends nahm ich meinen Mut zusammen und rannte unsere Treppe hinunter, Dutzende von Stufen, und rannte ihre Treppe hinauf, auch Dutzende von Stufen, einen Moment bevor sie die Tür schließen und das Licht über dem Eingang ausmachen und in ihre Wohnung zurückkehren würde.
    Ist etwas passiert, fragte sie, und ich schaute an ihrem Rücken vorbei zu unserem Dach hinüber, erstaunt über die veränderte Perspektive, als wäre das hier die andere Hälfte der Erdkugel, ich sah meine Mutter mit dem Wäschekorb, sie achtete immer darauf, erst seine Sachen aufzuhängen, seine Socken, seine Unterhosen, seinen Pyjama, die Baumwollhemden, die sie sorgfältig zurechtzog, und dann erst kamen unsere Sachen, wobei sie ihre Strümpfe mit meinen durcheinander brachte, immer legte sie nicht zusammenpassende Paare in meinen Schrank, und verwirrt deutete ich auf das Bild, als verberge sich dort meine Geschichte, eine Frau mit schwerem Körper, die in der einbrechenden Dämmerung Wäsche auf ihrem Dach aufhängt.
    Viele Male bin ich ohne Anmeldung zu ihrer Wohnung gekommen, aber jetzt zögere ich, wir haben uns in der letzten Zeit aus den Augen verloren, als hätte Amnons Anwesenheit sie aus meinem Leben gedrängt oder auch

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