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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Vaters, laut und hochmütig und drohend wie die Stimme Gottes im Garten Eden, er wird es nicht überleben, er wird ausgelöscht werden.
    Wo ist der Wachmann, murmelt sie, ihre Lippen zittern, ihr Gesicht ist wie ein Kissen angeschwollen, und wir rennen zu dem offenen Tor und schauen zu den Büschen des Rabenparks hinüber, der auch im Licht der Mittagssonne düster aussieht, und ich weiß, dass ihre Schreckensfantasien schon mit meinen konkurrieren, Josef, Josef, schreit sie, und ich sage, er ist schon gegangen, Sie brauchen ihn nicht zu rufen, wir müssen die Polizei verständigen, aber da taucht der Wachmann schon auf, kommt schwer und schwitzend auf uns zu, ein Junge ist verschwunden, jammert sie, er betrachtet mich zweifelnd und fragt, Ihr Sohn? Ich nicke, dünn mit langen Locken, er trägt ein rotes T-Shirt mit einer Zahl auf dem Rücken, und er sagt, ich kenne Ihren Sohn, er ist schon lange weg, mit seinem Vater.
    Ich atme schwer, mit seinem Vater? Woher wissen Sie, dass es sein Vater war, und er sagt, ich kenne alle hier, sein Vater ist groß, er hat ihn auf den Schultern getragen, und ich unterdrücke einen Aufschrei der Erleichterung, ja, das ist Amnon, er nimmt ihn immer auf die Schultern, erzähle ich der Lehrerin aufgeregt, versuche, mit übertriebener Freundlichkeit den Aufruhr zu beschwichtigen, den ich verursacht habe, danke, dass Sie aufgepasst haben, Sie haben mich gerettet, ich drücke dankbar die Hand des Wachmanns, und er hebt drohend einen Finger, Sie müssen jetzt zurück, sich um das Baby kümmern, und ich lasse ihn schnell stehen. Er verwechselt mich mit einer anderen Frau, versuche ich der Lehrerin zu erklären, und sie hält mich an den Schultern, entschuldigen Sie, vermutlich war ich mit etwas anderem beschäftigt und habe nicht aufgepasst, sie haben mir nicht Bescheid gesagt, als sie gingen, sagen Sie Ihrem Mann, dass das nicht in Ordnung ist, wie schnell sie von Verteidigung zur Anklage wechselt, was soll das, da holt er einfach sein Kind vorzeitig ab und sagt mir nicht Bescheid, und ich, bereit, jede Beschimpfung zu akzeptieren, Hauptsache, Gili geht es gut, verspreche ihr, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird, ich versuche, Herrschaft über die Manieren und das Verhalten meines Mannes zu demonstrieren, eine Herrschaft, die ich nie hatte, entschuldige mich schnell und gehe weg, fliehe vor dem stillen Hof.
    Noch immer erschrocken lasse ich mich im Rabenpark auf den Rasen fallen, die Katastrophe, die sich nicht ereignet hat, wird immer größer, beherrscht das Bewusstsein wie eine letzte Warnung, als würde die gute Nachricht die schlimme Vorstellung nur vergrößern und sie zur Wirklichkeit werden lassen, und die Tatsache, dass er diesmal gerettet wurde, verringert nur seine Chance, beim nächsten Mal heil davonzukommen, und ich streichle das ausgeblichene stoppelige Haar des Rasens, das mich einen Moment lang an Amnons Haar erinnert, damals, bevor er anfing, es abzurasieren, nach der Geburt des Jungen, als wollte er mit der perfekten Form seines Schädels konkurrieren, und während ich da liege, im zerrupften Gras, scheint es mir, als verändere der vertraute Park sein Gesicht, die ebene Fläche verwandelt sich in einen Hang, wie nach einem Erdbeben, wenn ich mich nicht am Gras festhalte, werde ich unendlich weit hinunterrollen bis in den alten Teich am östlichen Ende des Parks, begleitet von dem drohenden Geschrei der Raben. So sieht also das neue Leben aus, das ich mir so ungeduldig erdacht habe, eine schmale Fläche, gespannt wie ein Seil, aus der brennende Schwefeldämpfe aufsteigen und die trockene Erde gelb färben, und dahinter lauert der Abgrund, wenn ich nur die gekrümmten Schnäbel der Raben zum Sprechen bringen könnte, habt ihr hier ein Geschöpf mit zwei Köpfen gesehen, einer über dem anderen, ein doppelköpfiges Tier, mit weit ausholenden Schritten, könnt ihr mir sagen, wohin es gegangen ist, warum fliegt ihr nicht vor mir her, zeigt mir den Weg, und ich werde sie lautlos verfolgen, ein schmaler Nachmittagsschatten werde ich sein, der gesenkte Schwanz des doppelköpfigen Tiers, und als ich mich langsam aufrichte, weiß ich, dass die Raben keine Angst mehr vor mir haben, ihr spöttisches Krächzen wird meine Schritte begleiten, ich höre nicht auf sie, ich laufe durch enge Gassen, schaue in Gärten, schnalze hinter Mülleimern mit der Zunge, wie eine verirrte Katze, und so finde ich mich schließlich an diesem dunstigen Nachmittag, an dem die Steinmauern eine

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