Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
von mir zu entfernen.
Ist es das, was mein Vater gemeint hat, ist es das Verschwinden des früheren Gili, vor dem er mich gewarnt und das er vorausgesagt hat, denn es ist ein neuer Gili, der zwischen uns hin und her wandert, nicht mehr der Junge, den ich liebe, und von allen Schlägen, die mich von morgens bis abends treffen, ist die Sehnsucht nach dem alten Gili der schlimmste. Die Frucht der Liebe war er, und nach dem Ende der Liebe ist auch die Frucht verdorrt, die duftende samtige Schale hat sich abgelöst, und aus der abgestreiften weichen Haut ist ein neues Kind hervorgetreten, stachlig, stichelnd, trotzig, ein Kind des Zanks und des Streits, mit kleinen harten Fäusten, scharfäugig und schnellzüngig. Innerhalb weniger Tage verstummten Fragen, Bitten und Flehen, er hat sich damit abgefunden, Papa wohnt hier nicht mehr, und ich, die ich mich so sehr vor Bitten und Flehen gefürchtet habe, wundere mich über diese schnelle Anpassung, er hat nicht versucht, uns mit Vorwänden wieder einander näher zu bringen, er fleht weder mich an noch seinen Vater, erwachsen und mit offenen Augen hat er sich mit dem Übel der Trennung abgefunden, als wäre er von Geburt an darauf vorbereitet worden. Ruhig und diszipliniert trennt er sich vor dem Haus von seinem Vater, gehorsam und bedrückt steigt er abends mit seinem Ranzen auf den Schultern die Treppe hoch, als kehrte er von einem langen Schultag zurück, mit fester Stimme erzählt er seinen Freunden, mein Vater wohnt in einem anderen Haus, meine Eltern haben sich getrennt, als wäre das der Lauf der Welt vom Tag ihrer Erschaffung an, als wären wir nie eine Familie gewesen.
Aber waren wir wirklich eine Familie? Je weiter sich dieses Wort aus meinem Leben entfernt, umso mehr schmerzt es mich, behauptet sich ausgerechnet durch sein Fehlen. Sieben Buchstaben umklammern mein Herz wie Efeu, das den Baumstamm abwürgt, klebrige, giftige Buchstaben, die man nicht abschütteln kann. Es scheint, als hätten sich die Wörter in meine erbittertsten Feinde verwandelt, nicht die Momente der Einsamkeit, der Zweifel, der Erinnerungen, es sind die harmlosen, freundlichen Worte, die gefährlich geworden sind: Vater, Mutter, Familie, Heim. Schwestern und Brüder. Urlaub und Ausflug. Wie bedrohlich sind die Gutenachtgeschichten geworden, in denen es, ein Werk des Teufels, fast immer um ein Kind mit seinen Eltern geht, um das perfekte Familienleben. Die Mutter in der Küche und der Vater im Wohnzimmer, die Mutter, die Kaffee trinkt, und der Vater, der Zeitung liest, beide schlafend, in einem einzigen Bett, und dazu noch ein Bruder oder eine Schwester, ein Hund oder eine Katze, und wenn ich ihm die banalen Sätze vorlese, zittert meine Stimme vor Angst, dass diese Wörter ihn in seinem Koma des Sichabfindens stören könnten, ihn an das erinnern, was er einmal hatte.
Und da kommt er stolz aus der Schule zurück, in der Hand ein buntes Plakat, das er für das Schlafzimmer gemalt hat. Mit zittrigen Buchstaben steht darauf geschrieben, das Zimmer von Papa und Mama, die Buchstaben hängen im Nichts, als schwebten sie im All, und ich versuche zu lächeln, was für ein großartiges Plakat, und er sagt, häng es auf, Mama, warum hängst du es nicht auf, und ich würde am liebsten sagen, wo denn, mein kleiner Freund, wo soll ich es aufhängen? Hast du nicht verstanden, dass es bei uns ein solches Zimmer nicht mehr gibt? Doch ich presse die Lippen zusammen und hänge das Plakat an die Tür, obwohl es eine Täuschung ist, und jeden Abend, wenn ich ins Schlafzimmer gehe, stolpere ich angesichts dieser Täuschung, kämpfe gegen das Bedürfnis, das Plakat von der Tür zu reißen oder zumindest Farbstifte aus seinem Federmäppchen zu holen und den Text zu korrigieren, das war einmal das Zimmer von Papa und Mama. Du hättest zwei Plakate machen müssen, das ist das Zimmer von Papa und das ist das Zimmer von Mama, aber ich wage nicht, es auszusprechen, er ist stolz auf sein Werk, als wäre es eine einfache, unverbindliche Zeichnung, eine Anhäufung inhaltsleerer Buchstaben, er besteht auf seinem Recht, so zu sein wie alle anderen Kinder.
Gibt es denn in seiner Klasse keine anderen Kinder aus geschiedenen Ehen, frage ich mich verwundert, und es stellt sich heraus, dass es im Gegensatz zu den erschreckenden Statistiken, die immer wieder in der Zeitung veröffentlicht werden, und im Gegensatz zu dem Eindruck, den ich die ganzen Jahre gehabt habe, kein einziges anderes Kind geschiedener Eltern in Gilis
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